Dienstag, 29. Dezember 2015

Klabund - Die Harfenjule

Die Harfenjule: Luise Nordmann mit ihrer Harfe


Die Harfenjule

Emsig dreht sich meine Spule,
Immer zur Musik bereit,
Denn ich bin die Harfenjule
Schon seit meiner Kinderzeit.

Niemand schlägt wie ich die Saiten,
Niemand hat wie ich Gewalt.
Selbst die wilden Tiere schreiten
Sanft wie Lämmer durch den Wald.

Und ich schlage meine Harfe,
Wo und wie es immer sei,
Zum Familienbedarfe,
Kindstauf oder Rauferei.

Reich mir einer eine Halbe
Oder einen Groschen nur,
Als des Sommers letzte Schwalbe
Schwebe ich durch die Natur.

Und so dreht sich meine Spule,
Tief vom Innersten bewegt,
Bis die alte Harfenjule
Einst im Himmel Harfe schlägt.

Klabund (1890 - 1928) Für die Nazis, die seine Werke später verboten, seine Bücher verbrannten, war er ein „Asphaltdichter“, also in etwa ein entarteter und verjudeter Künstler, für die Kommunisten war er ein „bürgerlicher Individualitätstrottel“. Doch mit seinen Gedichten, die er in kleinen Heften, wie zum Beispiel der „Harfenjule“ veröffentlichen ließ, billig gedruckt und günstig zu haben, so wollte er es, traf er einen Volkston, der ihn bei den „kleinen Leuten“ beliebt machte.

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