Dienstag, 31. Januar 2023

Hans Bethge: Letzte Fahrt / Der Wanderer

 

Letzte Fahrt

Ich möchte heimlich still hinüberschreiten
So wie der Abend in die Nacht verrinnt.
Es sollen süße Lieder mich begleiten
Zu meinen Inseln, die beglückend sind.

Ich möchte sterben schön und ohne Fehle
Und noch im Tode reich an Sehnsucht sein
Und möchte fühlen, wie die freie Seele
Mit Klingen zieht zum Himmel ein.

Der Wanderer


Nun sehnen sich der Nacht entgegen
Die blauen Tale nebelstill.
Kaum dass die Wipfel sanft sich regen,
Und ist ein Duft an allen Wegen,
Der mir das Herz verwirren will.

Kein lockend Licht in aller Weite,
Die Nacht gewährt mir keine Ruh.
Und da ich langsam weiter schreite,
Spür ich ein Ahnen als Geleite -
Ich wandre meiner Heimat zu. . .

Aus: Hans Bethge, Die stillen Inseln, Gedichte, Schuster und Loefffler, Berlin 1904

Hans Bethge, geboren am 9. Januar 1876 in Dessau; gestorben am 1. Februar 1946 in Göppingen, Lyriker und Erzähler. Er schrieb auch Nachdichtungen orientalischer und fernöstlicher Lyrik.

Die Illustration ist von Heinrich Vogeler (1872 - 1942) für das Buch Sonnenuntergang, eine Dichtung, von Hans Bethge, 1900

Sonntag, 29. Januar 2023

Erich Mühsam: Ich wollt´ das Lied des Herzens nicht verschweigen. . .

 


Ich wollt' das Lied des Herzens nicht verschweigen.
Ich wollt' es jubelnd zu den Menschen schmettern,
Die bleich am Baume der Erkenntnis klettern,
Das Glück vermutend in den kahlen Zweigen.

Ich wollt' sie rufen zu den breiten Küsten,
An die des Meeres Wellen silbern schlagen.
Ich wollt' sie lehren, leichte Schultern tragen
Und freien Sinn in übermütigen Brüsten.

Ich stoß ins Horn. Noch einmal. - Doch ich staune:
Die Menschen lachen, die ich wecken wollte,
Als ob ein Mißton in die Lüfte rollte. -
Es muß ein Sandkorn sein in der Posaune.

Erich Mühsam, 6. 4. 1878 - 10. 7. 1934), Dichter, Anarchist, Suchender mit kindlichem Herzen, Mitinitiator der Münchner Räterepublik, dafür von den Nazis gehasst und schließlich im KZ Oranienburg ermordet. Aus: Wüste - Krater - Wolken, 1. Auflage 1914, 3. Buch, Wolken, 1909 - 1913

Bild: Ex Libris von Erich Mühsam, von ihm selbst entworfen, 1917


Samstag, 28. Januar 2023

Reinhard Sorge: Aus dem Nachlass / Das Mädchen

 


Abendgang

Ich ziehe hin im Abendgang,
Der Tag hat sich geneigt, gesunken
Das Licht. – Und Frieden –

Genug, daß ich den Sang gehört
Von einem Vogel, süß in Frieden –,

Daß der Geliebte mich betört,
Und ich aus Seinem Aug getrunken.

Abendlied

Stille sinkt
Die Welt in Ruh,
Ihre Lider
Tut sie zu.
Meiner Seele
Nachtstern blinkt,
Meiner Seele
Lichtherr blinkt.
Tag versinkt und
Ruhe scheint,
Liebe trinkt und
Christus weint
Um die Seele,
Die Er einte,
Sich und Gott und
Hoch vereinte.

Güte

Du hast so ganz unnahbar süß
Des Lichtes Glück an Dich gezogen,
Du leis gebückt von übergroßer Fülle,
Umgibt Dich Licht so wie ein Hof –.
Nun neigst Du herbe Dich im Scheinen
Und lächelst zu –

Sehnsucht

Wie eine Wolke im Blauen
Zieht die Inbrunst zu dir –
O du liebste der Frauen,
Wann verbindst du dich mir?
Wie ein Gipfel gen Sonne
Klimmt die Seele voll Drang –
Wann, o zarteste Wonne,
Kommst du Steige entlang?
Wie eine Harfe im Düstern
Klingt das Herz mir geheim –
Wann aus sehnendem Flüstern
Lockst du Töne und Reim?

Aus: Johannes Reinhard Sorge: Nachgelassene Gedichte, Vier Quellen Verlag, 1925

Lebendige, du schüttest mir mehr Wunder
Als Stern und Meer. Der Einsame schenkt jenen
Hauch, Hall und Art von seinem Dichttum, deutet
Sie seiner Ahnung nach. Gewand und Klang
Sind sein, wenn sie durch obere Sphäre schreiten:
Sterne und Meer. Du bietest mir den Frühling
Im Kleid des andren Wesens mit Gesang,
Der nicht mehr Echo. Du staunst meinen Schmuck.
Lebendige. Und andre.
Doch in höchster
Stunde umströmt die Seele nahe Seele
Und singt von sich. Dann wirbelnd mischen sich
Die Töne, und vergebens sucht der Eine
Des andren Orgel, da es Einklang ward.

Aus: Das Mädchen (III), Reinhard Johannes Sorge Werke in drei Bänden
Eingeleitet und herausgegeben von Hans Gerd Rötzer
Glock und Lutz Nürnberg 1962 / 1964

Reinhard (Johannes) Sorge, geboren am 29. Januar 1892 in Rixdorf, heute Berlin-Neukölln, war ein deutscher Schriftsteller. 1912 wurde sein Theaterstück „Bettler“ veröffentlicht, welches als das erste expressionistische Drama gilt. Die Uraufführung war allerdings erst nach seinem Tod, 1917.
1913 heiratete er. Auf der Hochzeitsreise nach Rom 1914 konvertierte das junge Paar zum Katholizismus, er nannte sich fortan Reinhard Johannes Sorge. Er siedelt mit seiner Frau in die Schweiz über, er möchte jetzt nur noch „Christi Griffel“ sein und schreibt religiöse Weihespiele und religiöse Epen. Bei Kriegsausbruch August 194 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger, er wird jedoch zurückgestellt. Als er 1915 den Entschluss fasst, Priester zu werden, wird er doch noch zum Militär einberufen. Während der Somme-Schlacht 1916 wird er schwer verwundet und stirbt kurze Zeit später, am 20. Juli 1916. 

Ringsum Klabunde

 


Ringsum Klabunde

Ein Herr S. Klabund (aus Süddeutschland) sendet an Alfred Kerr Lyrik, die bemerkenswert ist, erstens, weil sie auf Telegrammformularen das Licht der Welt erblickte, zweitens: weil folgende Zeilen den Anfang bilden:

Es hat ein Gott mich ausgekotzt,
Nun lieg ich da, ein Haufen Dreck,
Und komm´ und komme nicht vom Fleck.

Die Art, Redaktionen zu beglücken, scheint in der Luft zu liegen. Auch ich kann aufwarten. Auf Original-Klosettpapier gekritzelt, sendet mir ein Dichter aus Apolda folgende Verse:

Der Empfindsame singt:

In leichter Schale schwimmt ein glatter Traum,
Die hohle Wange ruht in schwacher Hand,
Sehr öde und verrucht ist dieser Raum,
Schmerzhaftes Frösteln dringt durch eine Wand.

Gespannter Bogen . . . kümmerlich Klavier-
Gehämmer. Kreischen unserer Konder.
Der Zugwind haftet schräg in jeder Tür.
Zerwalkt und rot sind alle Sünder.

Gar zage stammelt ein geborstnes Schwein -
Die Filter tropfen wie die Regentraufen,
O, welche Lust ein solcher Mensch zu sein,
So leicht beschallt den glatten Traum zu saufen.

Aus Die Aktion Nr. 10 1913

Es hat ein Gott mich ausgekotzt
Nun lieg ich da, ein Haufen Dreck
Und komm und komme nicht vom Fleck.
Doch hat er es noch gut gemeint,
Er warf mich auf ein Wiesenland,
Mit Blumen selig bunt bespannt.
Ich bin ja noch so tatenjung.
Ihr Blumen sagt, ach, liebt ihr mich?
Gedeiht ihr nicht so reich durch mich?
Ich bin der Dung! Ich bin der Dung!

Klabund

Ein anderer Klabund will das Wort haben. Selbst auf die Gefahr hin, daß Proteste wie Klabunde emporschießen, soll er gedruckt werden:

Fruehkonzert

Farben - himmelschreiend - kitschbegrellt
Lärmen unbeholfen durcheinander,
Tausend bunte Feuersalamander
Speien Worte in die heile Welt.

Trübe Bürger kriechen aus den Höhlen
Staub´ger Straßen, kummerüberladen,
Mädchen zeigen ihre Wollustwaden,
und Proleten geilen Beifall gröhlen.

Kaumgereifte Knaben blasen Ringe,
Prahlen laut mit abgegriffnen Zoten,
Spenden Beifall, krähen schrill und koten
Gassenworte über schöne Dinge.

Gardefritzen - Wagnerrummelklänge,
Bunte Feder wippt auf einem Hute,
Liebestrunken wiehert eine Stute,
Zwei Gestalten scheiden au der Menge.

In Rotunden schmunzeln alte Frauen,
Das Geschäft geht gut, das Wetter prächtig,
Noch neun Monde, viele werden trächtig. -
Leute, laßt uns Synagogen bauen!

Klabund, aus: Die Aktion, 18. Juni 1913

Klabund (1890 - 1928) Für die Nazis, die seine Werke später verboten, seine Bücher verbrannten, war er ein „Asphaltdichter“, also in etwa ein entarteter und verjudeter Künstler, für die Kommunisten war er ein „bürgerlicher Individualitätstrottel“. Doch mit seinen Gedichten, die er in kleinen Heften, wie zum Beispiel der „Harfenjule“ veröffentlichen ließ, billig gedruckt und günstig zu haben, so wollte er es, traf er einen Volkston, der ihn bei den „kleinen Leuten“ beliebt machte.

Das Portrait des Dichters (1915) ist von Emil Orlik (1870 - 1932)

Kurt Tucholsky: Augen in der Großstadt

 


Augen in der Großstadt

Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
dann zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Vielleicht dein Lebensglück...
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hast's gefunden,
nur für Sekunden...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück...
vorbei, verweht, nie wieder.

Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Es sieht hinüber
und zieht vorüber...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.

Kurt Tucholsky

Das Bild ist von Hans Baluschek (1870 - 1935)

Freitag, 27. Januar 2023

Max Herrmann-Neiße: Nächtliche Begegnung


 

Nächtliche Begegnung

Wenn wir nächtlich uns begegnen,
Sind wir so fern, so nah,
Daß sich unsre Seelen segnen,
Auch wenn mich dein Blick nicht sah.

Ich saß hinter meinem Glase,
Eingesargt in meinen Gram;
Zärtlich deine Vogelnase
Vom Liköre Abschied nahm.

Zwischen uns die fremden Säufer,
Dummheit, Weiber, Lärm und Rauch,
Die Verkauften und die Käufer,
Und vielleicht ein Heilger auch.

Keiner kann sich keinem geben,
Einsamkeit geht auf dem Strich,
Und man lebt sich um sein Leben.
So entschwandest du für mich.

Sachte fing es an zu regnen,
Als ich traurig heimwärts kroch. . .
Wenn wir nächtlich uns begegnen,
Lieben wir uns schließlich doch.

Max Herrmann-Neiße, geboren am 23. Mai 1886 in Neiße, Schlesien; gestorben am 8. April 1941 im Exil in London. Dieses Gedicht schrieb er für seinen Freund Joachim Ringelnatz.

Das Bild ist von Umberto Boccioni (1882 - 1916)


Donnerstag, 26. Januar 2023

Emmy Hennings: Schwester

 



Schwester

Es gab eine Zeit, da liefen wir verkappt durch die Straßen.
Versuchte man zu glauben unseren falschen Locken?
Wem machten wir Konzessionen, wenn wir mit hohen
Absätzen durch die Glühlichtnächte stelzten?
Die Männer, unsere entblößten Schultern betrachtend,
wurden gerührt oder frech.
Die Gleichgültigkeit der Männer traf uns gleich einem Dolchstoß
Mitten ins Herz,
Wenn wir verhüllte Lieder sangen: Kann ich dafür, daß ich so bin? -
Die ehrbare Gattin incognito lächelte vielsagend und eindeutig
Ihrem Galan zu.
Und flüsternd hinter den Kulissen, träumten Schwestern wir:
Das Kind der Gattin im Himmelbett.
Oh, unerreichbare, unbegreifliche Mutter. . .
Die mitgenommene Frau im Publikum
Zog sich angewidert und selig in ihren weichen Pelz zurück.
Und immer freigiebiger wurden wir,
Und lieferten lachend Schultern und Schenkel.
Das lachende Gesicht weinte:
Es zieht mich stets zum Manne hin. . .
Und zitternd für das blutarme Kindlein im Waisenhause
Schlugen wir den Saltomortale -
Es rauschte der Vorhang! -

Oh, Schwester, all unsre höfliche Kunst schien bei den Blasierten
Umsonst, verfehlt.
Besiegt sahen wir auf unsere Lackschuhspitzen.
- Oh, unsere durchsichtigen Strümpfe - sie waren so
durchsichtig und billig.
Wer merkte den zierlichen Kniff, wer war so willig?
Versottene Kavaliere mit versottenen Witzen.

Und weinten wir uns im Morgengrauen die geschminkten
Larven vom Gesicht,
Entblätterten wir uns,
Sanken uns die bunten Seidenfahnen von den Lenden,
Standen nackt wir weinend am Fenster,
Oh, Sehnsucht mit erhobenen Händen,
Fielen verstört wir ins Bett -
Doch wir schliefen nicht.
Und in durchtanzten Nächten, verschlafenen Tagen
Vergaßen wir das Sonnenlicht.
So ging das Leben an uns vorbei:
Rausch und Sang, Tag und Nacht, und Einerlei.

Und von allen, die du geliebt und geneppt,
Schwesterlein, wer hat dein verschüttetes Herz wohl entdeckt?
Wer sah dein unsichtbares Leid
Unter deinem Flitter- Panzerkleid?

Schwester, ich kenne die Angst, die dir aus den Augen springt,
Wenn du dir eines Tages zurufen wirst:
Ich hasse vergebens!
Ich kenne die grelle Flackerangst:
Ich liebte vergebens!
Dies ist die Stunde, in der du nicht einschlafen darfst.
Du bist nicht müde, nie warst du lebendiger.
Ich reiße dich zu mir!
Du darfst nicht sterben, bevor ich dir gesagt habe:
Es war nicht vergebens.
Wenn ich dir alles gesagt habe, wirst du den Schlaf
Vergessen haben, und du wirst leben, oh, so viel Leben!
Du bist am anderen Ufer
Und hinter dir stürzt die Brücke ein.
Sodom und Gomorrha verbrennen.
Was gewesen, war Gang über die gefährliche Brücke.
Vergiss nicht:
Wir kennen doch Wege und Umwege,
Aber den Ausweg, Schwester, kennen wir nicht.
Vergiss nie, daß es keinen Ausweg gibt.
Ein Irrgarten ist unser Leben mit vielen Spiegeln.
Sieh dein Spiegelbild, und denke nicht, es sei eine andere.
Sieh in den treuen Spiegel deiner Seele, und wirf das Katzengold von dir.
Sieh in den Spiegel, und du wirst mit jedem Tag
ein Stückchen Schimmer ablegen.
Und eines Tages wirst du sein:
Die enthronte Königin.
Die Schleppe deines Königsmantels fegte durch den Gassenkot.

Die Begierde des Mannes hat deine Herrlichkeit verbrannt.
Und wirst du rufen: Wo ist meine Macht?
Ich bin die Königin der Freude?!
Oh, Schwester, die Freude starb, und dein Reich ging dir
Verloren.
Deine Nachtschattenaugen irren suchend durch die großen Städte.
Die Städte sind leer - du wirst niemanden finden.
Und am späten Abend wirst du dich an eine Mauer lehnen
Du wirst sagen: Meine Welt ist gestorben.
Und die letzte Sehnsucht nach falschem Glück
Wird dir entgleiten wie dir dein roter Seidenmantel
Von den Schultern fällt.

Wenn dir die letzte Illusion entschwindet:
Die neue Welt liegt neu vor deinen Augen.
Die Jungfräulichkeit der Dinge sei dir Sehnsucht.
Schwester, der Anfang liegt in dir.
Das A und O.
Dem immer wiederkehrenden Anfang gilt all unser Streben!
Wir sind bereit, zu jeder Stunde neu beginnen!
Wir leben und sterben in einem Atemzug!
Das immerwährende Streben nach dem Gelöstsein!
Schweben
Zwischen Tod und Leben!
Bereit sind wir, zu fliegen in die Höhe,
Bereit sind wir, zu stürzen in die Tiefe.
Leben und Tod sind Eines.
Wir kennen nur noch eine Mischung:
Der Tod vermischt sich mit dem Leben.
Wir sind ewig auf dem Sprunge.
Wir stehen auf der Barrikade unseres Herzens!
Wir haben alles empfangen: wir sind bereit, alles zu geben.
Wir verschwenden uns.
Schwester, dein Herz in den Händen schleudere es in ein
Flammenmeer!
Wir werfen unsere Unendlichkeit der kleinen Erde zu.
Die graziöseste Verneigung vom höchsten Podium.
Schwester, so unberechenbar bist du in deiner Liebe!
Tollkühn und waghalsig sind wir:
Der Salto Mortale ist unser Beruf.
Geheiligt und wild wagen wir das letzte Abenteuer.

Was warten wir auf den letzten Sprung?
Nichts hält uns mehr.
Frei sind wir und kennen keine Hindernisse.
Ein Anlauf!
Das Sprungbrett wankt!
O Schwester! Du!
So himmelhoch springt mein Leben,
stürzt mein Verlangen,
Dir, Erde, zu!
Am ersten, am goldenen Morgen
Begrüßen wir die jüngste Erde!
Weihen wir der geheiligten Erde den Morgengruß!
Der Regenbogen der Versöhnung leuchtet in den Wolken.

Emmy Hennings (1885  -  1948) (Ascona 1917, nicht veröffentlicht), Aus: Emmy Hennings Dada, 

Hg. Nicola Behrmann, Christa Baumberger. Zürich 2015.


Niemals hat die Dichterin auf der Sonnenseite gelebt und es leicht gehabt, vielleicht hat sie es auch niemals ernstlich sich gewünscht. Sie lebt lieber unter den Kämpfenden, Armen, Bedrückten, sie liebt die Leidenden, sie fühlt für die Verfolgten und Rechtlosen. Sie bejaht das Leben auch in seiner Härte und Grausamkeit und liebt die Menschen bis in alle Verirrung und Not hinein.“ Hermann Hesse über Emmy Hennings

Victor Blüthgen: Schlechtes Wetter

 


Schlechtes Wetter

Liese, es regnet Seile;
Ich sterbe vor Langerweile.
Ich glaube, die Blasen schwimmen dort -
Jetzt regnet's vier Wochen immer so fort.
Ich sollte der liebe Gott mal sein.
Da gäb' es Regen bloß bei Nacht,
Und immer wär' es Sonnenschein,
Wenn ich im Bett wär' aufgewacht.

Victor Blüthgen (1844 – 1920), Dichter und Schriftsteller, auch durch seine Lyrik für Kinder bekannt geworden

Das Bild ist von Edvard Munch

Heinrich Vogeler: Von dem Berge. . .

 


Von dem Berge, durch die niedern Föhren
Stieg ich langsam, Abenddämmerschein
Grauer Winter war's, Hoch über Nebelwogen,
Die von unten aus dem Thal herzogen,
Tönte rauh der Wildgans grelles Schrein.
Hinter winterkahlen Lindenhecken
Lag, als wollten sie es schützend decken,
Still das weisse, rotbedachte Haus.
Träumend staunen in den alten Garten, –
Wollen sie ein Wunder stumm erwarten? –
Fenster, heimlich blinkende, hinaus.
Müde flüchtend aus den lauten Wogen
Hat es sehnend heimwärts mich gezogen.
Und das Leben, das ich gerne liess,
Tausch ich nun mit trautem Paradies.

Aus: DIR

Gedichte von Heinrich Vogeler, Worpswede
Erschienen im Verlage der „Insel“ bei Schuster und Löffler, Berlin 1899

Das Bild "Heimkehr" (1898) ist von ihm. 

Karl May: Frage

 


Karl May. Wer meines Jahrgangs hatte nicht als Heranwachsender "Winnetou" gelesen? (Oft heimlich mit Taschenlampe unter der Bettdecke?) Zur Erinnerung. . .

Frage

Hast du gelebt? O, wolle Antwort geben:
Hältst du dein Leben wirklich für ein Leben,
das dich zu sich zurück, zum Leben, führt?
Wie weit bist du zum Urquell vorgedrungen,
dem deine Seele, dem dein Sein entsprungen,
dem deine ganze Strebenskraft gebührt?

Hast du geglaubt? O, wolle mir doch sagen,
wie viele wohl von deinen Erdentagen
den wahren, ächten Sonnenschein gekannt.
Der Glaube gibt Unendlichkeit des Schauens
im klaren, warmen Lichte des Vertrauens
und zeigt dir jenes, nicht nur dieses Land.

Hast du gewirkt? O, wolle mich verstehen:
Ich sehe fleißig dich zur Arbeit gehen;
du sorgst und kämpfest in und mit der Zeit.
Doch, öffnet sich dir einst die dunkle Pforte,
so knarren in den Angeln dir die Worte:
»Hast du gewirkt auch für die Ewigkeit?«

Karl May (1842  -  1912)

Paul Scheerbart: Dicker roter Mond

 


Dicker roter Mond

Ach, ich kann ja gar nicht schlafen!
Über dem dunkelgrünen Myrtentor
Thront ein dicker roter Mond. –
Ob es später wohl noch lohnt,
Wenn man auf dem Monde wohnt?
Über dem dunkelgrünen Myrtentor?
Wär's nicht möglich, daß uns drüben
»Längre« Seligkeiten küßten?
Wenn wir das genauer wüßten!
Hier ist alles zu schnell aus.
Jeder lebt in Saus und Braus.
Wem das schließlich nicht gefällt,
Hält die ganze große Welt
Auch bloß für ein Narrenhaus!
Ach, ich kann ja gar nicht schlafen!
Alter Mond, ich lach dich aus!
Doch du machst dir nichts daraus!

Paul Scheerbart, geboren am 8. Januar 1863 in Danzig, gestorben am 15. Oktober 1915 in Berlin, auch unter seinen Pseudonymen Kuno Küfer und Bruno Küfer bekannt, war Schriftsteller und Zeichner.

Scheerbarts skurrile Gedichtsammlung Katerpoesie erschien 1909 als eines der ersten Bücher im neu gegründeten Rowohltverlag.

Bild "Dear Old Moon" von Gordon Browne (1885 - 1932), gefunden auf der Seite "Old Book Illustrations" 

Margarete Beutler: Wiedergeburt

 


Wiedergeburt

Sprich, meine Seele, ist es nun genug?
Und willst du nun ein lichter Bronnen sein?
Sieh, dieser Menschenleib ist wieder dein,
Und dein ist der Gedanken Wanderflug!

Dein ist die Welt! – In deinen Spiegel falle
Geläutert alles, was da Leben heißt,
Und heilig sei die Form dir, die der Geist
Sich auserkor zu seiner Tempelhalle!

Aus: Margarete Beutler (1876 - 1949) Aus: "Leb´ wohl, Bohème - Ein Gedichtbuch", 1911

Isabelle Kaiser: Vergeblich

 


Vergeblich

Sie sagen, der Frühling komm' über Land
Und schließe die alten Wunden.
Da bin ich bebend heut aufgewacht -
Das Heil hab' ich nicht empfunden.

Sie sagen, er schreite lachend durchs Land,
Verschwende Veilchen und Lieder.
Da zog ich hinaus, und mit leerer Hand
Kehrt' müd ich am Abend wieder.

Sie sagen, er flieg' in die Kammer hinein,
Daß heiß die Wangen sich färben -
Ich öffnete sehnend mein Fensterlein,
Ein Windstoß schlug es in Scherben.

Isabelle Kaiser (1866 - 1925) Aus: Mein Herz, Gedichte von Isabelle Kaiser 3. und 4. vermehrte Auflage, J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart und Berlin 1921

Margarete Steffin: Als er mich zum ersten Male. . .

 


Als er mich zum ersten Male. . .

Als er mich zum ersten Male fragte
Ob ich naß sei, dacht ich: Was ist das?
Als er fragte, ob er nachsehn sollte
Schämte ich mich sehr. Ich war ja naß.

Und er fragte, ob ich kommen würde
Als er mich zum ersten Male nahm.
Ich wußte nie, daß ich auch kommen könnte.
Doch sagte ich ihm das nicht. Denn ich kam.

Ich benahm mich wie ein kleines Mädchen.
(Dabei lebte ich doch schon genau
Viereinhalbes Jahr mit einem Manne.)
Doch durch ihn erst wurd ich - für ihn - Frau.

Ich begann, mit ihm auch mich zu lieben
Und ich fragte nicht mehr: Was kommt dann?
Endlich lernte ich, das Jetzt auskosten
Ohne Furcht, daß es sich ändern kann.

Aus: Margarete Steffin (1908  - 1941): Konfutse versteht nichts von Frauen -
Nachgelassene Texte, herausgegeben von Inge Gellert
Mit einem Nachwort von Simone Barck und einem dokumentarischen Anhang, Rowohlt Verlag Berlin 1991

Heinrich Heine: König ist der Hirtenknabe

 


König ist der Hirtenknabe

König ist der Hirtenknabe,
Grüner Hügel ist sein Thron,
Über seinem Haupt die Sonne
Ist die schwere, goldne Kron.

Ihm zu Füßen liegen Schafe,
Weiche Schmeichler, rotbekreuzt;
Kavaliere sind die Kälber,
Und sie wandeln stolz gespreizt.

Hofschauspieler sind die Böcklein
Und die Vögel und die Küh,
Mit den Flöten, mit den Glöcklein,
Sind sie Kammermusizi.

Und das klingt und singt so lieblich,
Und so lieblich rauschen drein
Wasserfall und Tannenbäume,
Und der König schlummert ein.

Unterdessen muss regieren
Der Minister, jener Hund,
Dessen knurriges Gebelle
Widerhallet in der Rund.

Schläfrig lallt der junge König:
„Das Regieren ist so schwer,
Ach, ich wollt, dass ich zu Hause
Schon bei meiner Kön´gin wär!

In den Armen meiner Kön´gin
Ruht mein Königshaupt so weich,
Und in ihren lieben Augen
Liegt mein unermesslich Reich!“

Heinrich Heine, aus: Die Harzreise

Georg Mannheimer: Gang durch die Via Dolorosa

 


Gang durch die Via Dolorosa

Ich sah dich durch die düstre Altstadt gehn,
ich sah dich unter Geißelhieben sinken,
ich sah dich auf dem Berge Moria stehn,
das Kreuz zur Rechten und das Kreuz zur Linken.

Ich sah den Pöbel sich im Taumel drehn,
ich sah Megären rasend Tücher winken,
ich sah das Blut auf deinen Schläfen wehn,
sah dich, den bittren Kelch zur Neige trinken.

Ich sah dich, als ich durch die Altstadt ging,
dich Bruder Jesus: den die Meute fing,
weil deine Welten nicht von ihrer waren.

Ich sah: dich wieder blutig und entstellt,
ich hört dich wieder schreien durch die Welt
wie einst vor - neunzehnhundertdreißig Jahren.

Georg Mannheimer, geschrieben 1933
Aus: „An den Wind geschrieben“ - Lyrik der Freiheit 1933-1945,
Herausgegeben von Manfred Schlösser, Agora-Verlag, Darmstadt

Georg Mannheimer wurde am 10. Mai 1887 in Wien geboren. Im September 1940 wurde der Schriftsteller und Journalist verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er am 22. 4. 1942 an „Entkräftung“ starb.

Heinrich Zucker: Abend

 


Abend

Du schönes Schreiten, abendwindumhüllt!
Die Straßen flammen bunt, der Tag ist aus.
Die Stadt beginnt ihr Lied: Autos rufen.
Omnibusse rasseln. Straßenbahnen läuten.

Von überall ertönt Musik, Rhythmus des Seins,
Zieht alles in den wilden Takt, Mond und Sterne tanzen,

Die Häuser wiegen sich mit heller Stirn danach.
Ich habe keine Sehnsucht mehr nach schönen Dingen.

1927

Der Schriftsteller Heinrich Zucker wurde am 23. April 1910 in Berlin geboren, sein genaues Todesdatum ist unbekannt, er verstarb nach 1944, wahrscheinlich in London im Exil.

Ein Jahr nach seinem literarischen Debüt mit dem Band "Poet von heute: Gedichte" gab Zucker 1931 zusammen mit Robert Seitz die Anthologie neuer Großstadtdichtung "Um uns die Stadt" heraus, aus der auch obiges Gedicht stammt, die 1938 von den Nationalsozialisten auf deren Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums gesetzt wurde. Zu dieser Anthologie hatten bedeutende zeitgenössische Dichter, u. a. Bert Brecht, Johannes R. Becher, Lion Feuchtwanger, Max Herrmann-Neisse, Erich Kästner, Rudolf Leonhard, Erich Mühsam, Joachim Ringelnatz und Kurt Tucholsky Gedichte beigesteuert. 1944 erschien im Londoner Exil ein Band mit dem Titel "Gedichte mit Gegenwind" von ihm.

Hedwig Lachmann: Heimatlied

 


Heimatlied

Dies ist die Heimat: jener Waldesrand,
Der dir ins Nahe rückt den Himmelskreis,
Am Wiesenabhang das bestellte Land
Und alles, was das Herz an Liebe weiss.

Dies ist die Heimat: jener Baum im Wind,
Mit Wipfeln wirr gesträubt und altersschwer,
An den dein Trieb sich anschmiegt dumpf und blind,
Als wären eines Leibes du und er.

Dies ist die Heimat: jener dunkle Bann
Von Furcht und Schwermut, der dich früh umfängt,
Das Erbteil deines Blutes und was daran
Von deinem vorbestimmten Schicksal hängt.

Dies ist die Heimat: jener stille Hang
Zur Erde, die dich trägt, zu Mensch und Tier,
Dass alles Leben wie ein Widerklang
Der eignen Brust und wie ein Stück von dir.

Aus: Hedwig Lachmann "Gesammelte Gedichte - Eigenes und Nachdichtungen", herausgegeben von Gustav Landauer, Gustav Kiepenheuer Verlag, Potsdam 1919

Hedwig Lachmann, geboren am 29. August 1865 in Stolp, Pommern; gestorben 21. Februar 1918 in Krumbach), Dichterin und Übersetzerin von unter anderem Edgar Allan Poe und Oscar Wilde. Ihrem zukünftigen Ehemann, dem Anarchisten Gustav Landauer begegnete Lachmann zum ersten Mal 1899 bei einer Lesung im Haus von Richard Dehmel. Richard Dehmels Kriegsbegeisterung beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 führte jedoch dazu, dass Lachmann ihm die Freundschaft aufkündigte.

Das Bild ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch.

Kurt Tucholsky: Mutterns Hände


Mutterns Hände

Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm -
un jewischt un jenäht
un jemacht un jedreht...
alles mit deine Hände.

Hast de Milch zujedeckt,
uns bobongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragen -
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält...
alles mit deine Hände.

Hast uns manches Mal
bei jroßem Schkandal
auch'n Katzenkopp jejeben.
Hast uns hochjebracht.
Wir wahn Sticker acht,
sechse sind noch am Leben...
Alles mit deine Hände.

Heiß warn se un kalt.
Nu sind se alt.
Nu bist du bald am Ende.
Da stehn wir nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.

Kurt Tucholsky (1890-1935)

(Das Bild zeigt Kurt Tucholsky im Jahre 1890)

Karl Münzer: Liebe

 


Liebe

Tau auf Blumen -
Waren Deine Küsse auf meinen Wangen.
Sie fielen nachts
Und sind beim ersten Tagesstrahl vergangen.

Im Kelch die Biene -
In Deine Lippen lag mein Mund versunken.
Er hob sich fort,
Vom Nehmen Du, vom Geben war ich trunken.

Es fiel ein Stern -
Die Ewigkeit hat ihn verschlungen. . .
Du löstest Dich:
Dein Schritt ist in die Ewigkeit verklungen.

Aus: Der Merker, Österreichische Zeitschrift für Musik und Theater, Jahrgang 3, Oktober-Dezember 1912

Kurt Münzer, geboren am 18. April 1879 in Gleiwitz; gestorben 27. April 1944 in Zürich, Schriftsteller. Schon für sein erstes Buch, die Abhandlung Die Kunst des Künstlers (1905), hatte Münzer einen Verleger gefunden. In den folgenden 18 Jahren erschienen über 20 Romane, Novellen, Theaterstücke und Kurzgeschichten, die teils beträchtliche Auflagen erzielten. Unmittelbar nach Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 emigrierte Münzer in die Schweiz, wo er vorwiegend in Bern lebte, zeitweise Mitarbeiter des Steinberg-Verlages Zürich war, aber als Schriftsteller keinen größeren Erfolg mehr erzielen konnte.

Das Bild "Engel" ist von Fritz von Uhde (1848 - 1911)

Karl Schloß: An einem Grabe

 


An einem Grabe

Tief unter den Wipfeln der Sommernacht
Wie ist das Gras so weich - o weißt du es noch?
Es zog ein Weg wie im Märchen
Durch die verdämmernde Pracht.

Das Feld um den schlafenden Garten,
Wie es lag zu den Höhn - o weißt du es noch?
Bedeckt mit Traumgetön
Rings um den schlafenden Garten -

Wie wir im Grase lagen,
Wie war dein Lachen voll - o weißt du es noch?
Wie war dein Herz von Lachen voll,
Wie schlugs an meinem mit Behagen -

Wie drücktest du das Gras so tief
Und ruhtest mir in vollen Armen -
Wie ruhten wir in Lusterwarmen,
Wie drückt ich dich ins Gras! Wie stieg - o weißt du es noch?

Der runde lichte Sommermond
Herauf mit dämmerndem Gesange -
Kornähren küssten ihm die Wange,
Dem runden lichten Mond.

Wie voll von Kornfeldern
Die Höhe ging . o weißt du es noch?
Wie der Wind ging
Vollatmend in den Kornfeldern -

Wie an den Nußbäumen
Die Blätter im Mondlicht gingen - o weißt du es noch?
Wie uns Welten vergingen,
Ruhend im Gras unter Bäumen -

Wie war dein goldenes Haar Gesang,
Wie war dein Mund, dein Aug, dein Arm - o weißt du es noch?
Gesang der Liebe so laut und warm ,
Wie war dein Blick Gesang - -

Wie lang uns zu Häupten glühte
Die weite Sommervollmondnacht -
O du, unter Cypressen
O du, die mich und alles vergessen . weißt du es noch?

Aus: Die Insel, 1. Jahrgang 1899 – 1900

Karl Schloß, geboren am 6. 1. 1876 in Framersheim, gestorben am 3. 1. 1944 in Auschwitz, Unternehmer und Schriftsteller. Er verkehrte in Münchner Bohème-Kreisen und veröffentlichte in diversen Literaturzeitschriften literarische Texte. 1910 gab er seine literarischen Aktivitäten aus wirtschaftlichen Gründen auf und ging nach Alzey, um in der Zigarrenhandlung seines Vaters Adolph Schloß († 1918), die ab 1912 auch über eine eigene Fabrikation verfügte, zu arbeiten und sie nach dessen Tod zu übernehmen.

1937 gelang Karl Schloß und seiner Frau Rosel die Flucht in die Niederlande, wo sie in Den Haag lebten.Im Herbst 1943 wurden Schloß und seine Frau von der Gestapo verhaftet und nach Darmstadt gebracht. Da beider Ehe nach den Nürnberger Gesetzen als „privilegierte Mischehe“ galt, die den jüdischen Ehemann vor der Deportation schützte, drängten die nationalsozialistischen Behörden Rosel Schloß zur Scheidung, was sie jedoch ablehnte. Beide Eheleute wurden zu Lagerhaft verurteilt und starben Anfang 1944, jeweils kurz nach ihrer Einlieferung ins Konzentrationslager, Karl Schloß in Auschwitz, Rosel Schloß am 6. Januar 1944 in Ravensbrück.

Das Bild ist von Alexandre de Rique, (1856 - 1920)