Donnerstag, 26. Januar 2023

Victor Hadwiger: Verlorene Beute

 


Verlorene Beute

In einer Fischerhütte saß ich lange Tage
den Möwen reisten meine Augen nach,
in meinen Netzen fing ich meine Stunden.
Und glänzte dann der Fang des Untergangs,
so löschte ich die Glut in meiner Seele.
Die Möwen schwebten um die Felsenbänke,
ein Schatten schlich sich in das Land,
schwer hingen meine Netze. –
Doch weil ich eine andre Liebe hatte,
entließ ich meine kühle Beute
ins Meer hinaus.
Es klang die dunkelblaue Flut,
wie Glocken klang das Meer.
Die Dörfer lauschten auf aus ihrem Schlaf.
Mich aber trieb ein Gott.
Die Welt war nur ein Fischerdorf,
ein Möwentraum,
ein weißer Weg im Windgewölk.
Es geht ein Feiern an.

Victor Hadwiger (1878 - 1911), aus: Wenn unter uns ein Wandrer ist. Ausgewählte Gedichte aus dem Nachlass. Hrsg. von Anselm Ruest. Berlin: Alfred Richard Meyer, 1912.

Das Bild ist von N. C. Wyeth (1882 - 1945)

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