Donnerstag, 20. Juli 2017

Eleonore Kalkowska: Vor dem Einschlafen / Meine Seele hat kaum gelitten. . . / Des Schmerzes Tage. . .



Vor dem Einschlafen

Vergessenheit ... Traumstille ... leise, leise
Ein dunkler Vogel schwebt zu mir hernieder;
Er breitet aus sein köstlich weich Gefieder
Und zieht um mich die lautlos stillen Kreise,

Bis ich die letzte Unrast von mir weise
Und senke meine müdgesehnen Lider.
Nun halt ich lächelnd meine Seele wieder,
Die heimgekehrt von bunter Tagesreise.

Und wie sie ruht in tiefem Selbstgenießen,
Beginnt ein leichtes Traumbild fern zu gaukeln,
Dem schimmernd lichte Strahlen sanft entfließen.

Und fern zwei weiße Tauben zwitschernd schaukeln
Auf Kirschbaumzweigen, die in Blüte stehen ...
Ein Schweben, Leuchten, Gleiten und Vergehen.


Meine Seele hat kaum gelitten. . .

Meine Seele hat kaum gelitten
Unter den rohen Tritten;
Sie hat sich in sich selbst zurückgezogen,
Und so war es ein saitenloser Bogen,
Um den herum sie sich stritten.


Des Schmerzes Tage. . .

Des Schmerzes Tage sind nun ganz entschwunden,
Wie eine Sonnenkugel, die ins Meer
Ihr müdes Haupt getaucht und nur zurückgelassen
Den matten Schimmer, jenen zärtlich blassen,
Der auf den Wellen spielt und jenem Lächeln gleicht,
Das um die Lippen Krankgewesener schleicht.

Des Schmerzes Tage sind nun ganz entschwunden. ...


Aus der Sammlung Selbstgespräche

Eleonore Kalkowska, geboren am 22. Juni 1883 in Warschau, war eine polnisch-deutsche Schriftstellerin und Schauspielerin.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Eleonore Kalkowska 1933 zweimal verhaftet, jedoch nach Intervention des polnischen Gesandten jeweils kurz darauf wieder freigelassen. Daraufhin verließ sie Deutschland und lebte zunächst in Paris, danach in London. Sie starb am 21. Juli 1937 in Bern.

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