Freitag, 18. August 2017

Johannes Theodor Baargeld: Du folgst jetzt all den Wegen / Du blickst befremdet auf die alten Spuren

Das Bild ist von der im Februar verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch



(Du folgst jetzt all den Wegen)


Du folgst jetzt all den Wegen,
Die durch dich ziehn.
Sie scheinen Dir gelegen
Mit eignen Mühn.
Du glaubst dem fernsten Winken
Ob es Dir galt?
Die fernen Zinnen sinken,
Doch Du warst kalt.
Schon lang sind Deine Höhen
Im Dunst gelöst.
Es ist bald wie ein Stehen,
Nun Deinen Weg Du weitergehst.

1923

(Du blickst befremdet auf die alten Spuren)


Du blickst befremdet auf die alten Spuren
wo Du des immer Neuen Grund
gewähnt, und dich erschreckt der Fund,
und wieder blickst du auf den jungen Schnee der Fluren.

Doch du begreifst nicht, daß vor Jahresstund
du dich am selben Wegkreuz maßest,
und daß du schier ein Jahr vergaßest
und wie so stark sein könne ein zerbrochner Bund.

                             1924
                                               
Johann Theodor Baargeld, der Künstlername von Alfred Ferdinand Gruenwald, Grafiker, Maler, Dadaist, Dichter und leidenschaftlicher Bergsteiger, geboren am 9. 10. 1892 in Stettin; verunglückte tödlich am 18. 8. 1927 am Mont Blanc.

Die beiden Gedichte gehören zu den vier sogenannten ›Engadiner Gedichten‹, die sich im Hüttenbuch der ›Carl von Salis-Hütte‹ im Oberengadin finden ließen. Baargeld, der sich als Bergsteiger Jesaias nannte, unternahm in den zwanziger Jahren von hier aus zahlreiche Bergtouren und trug sich insgesamt viermal mit einem Gedicht ins Hüttenbuch ein.

Zu Lebzeiten des Autors nicht veröffentlicht. Zuerst publiziert 1985 in: Walter Vitt (Hrsg.), Bagage de Baargeld, Starnberg

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