Freitag, 5. Dezember 2025

Fred von Zollikofer: Vor dem Schnee, Schöne Erde. . .

 



Vor dem Schnee


Bald, wenn es schneit,
Trägt die Erde
Ihr stilles Kleid.
Und Wege, Wälder und Wiesen,
Leben und Lampenschein
Werden im Glitzern und Gleiten
Plötzlich verzaubert sein.

Bald, wenn es schneit,
Wird zum Geheimnis
Die Zeit.
Die Stunden fließen dann leiser
Im Wiegen der Flocken dahin.
Und die kleine Glocke der Kindheit
Läutet zum Traumbeginn.

Bald, wenn es schneit. . .

Fred von Zollikofer, aus: Ausgewählte Werke, Ausgabe zum zehnten Todestag des Dichters, Aegisverlag, Ulm, Illustriert und herausgegeben von Luigi Mailoiero, 1947

Fred Zollikofer von Altenklingen, geboren am 4. Januar 1898 in Hamburg; gestorben am 1. Juli 1937 in Berlin, Dichter, Schriftsteller, Dramaturg und Kritiker in Berlin. Er wurde 1936 inhaftiert und erkrankte 1937 so schwer, dass er an den Folgen in der Haft verstarb. Über seinen Tod heißt es: "Fred von Zollikofer wurde von den Nationalsozialisten wegen seiner politischen Überzeugung verhaftet. Wie sein Freund Luigi Malipiero in dem Gedächtnisband berichtet, infizierte man ihn im Moabiter Gefängnis vorsätzlich …" In der Haft schrieb Zollikofer seine sechs letzten Gedichte.

Schöne Erde! Wie dein reicher Segen
Unser Dasein neu und stark durchglüht!
Wie die blauen Himmel uns umhegen!
Blütenkelche brechen auf und regen
Sich als bunte Wunder, lichtumflutet.

Und ein Duft aus fernen Gärten weht
Von Holunder, Flieder und Jasmin.
Und wir träumen, dass die Zeit vergeht,
Dass das Tor der Heimkehr offen steht
Und wir fort in freien Frieden ziehen.

Möge dann ein Stern das harte Leben
Still bestrahlen, heilen unsere Wunde.
Möge sich der Augenblick ergeben,
Wo wir tief vor Seligkeit erbeben
Durch ein Wort aus langentbehrten Munde.

(Das letzte Gedicht. 10. Januar 1937)

Das Bild ist von Akseli Gallen Kallela (1865 – 1931)


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