Freitag, 9. Dezember 2016

Hugo Hinz - Verse / Die Frau




Verse

I

Mit Weh im Herzen durch die fremden Straßen laufen
und ein Glockenläuten lang
nur stillhalten:
Das ist mein Leid
seit so vielen Tagen.

II

Der Sommer kam,
und größere Fülle ward dir, Natur.
Nun reifte langsam die Frucht
der Gebärung entgegen
und wandte sich quillend zum Licht. –
Wir träumten kaum erst unter Blütenbäumen
vom Leichten des Daseins,
da überkam uns schon
schwerdunkle Fülle des Grabes.

Hugo Hinz, geboren 1894 in Berlin, gefallen am 7. Dezember 1914 im Osten.

Hinz war in der Kriegsanthologie „1914-1916“ von Franz Pfemfert vertreten, allerdings mit den unbearbeiteten "Versen I-II" (seine letzten, die er vom Schlachtfeld an den Herausgeber geschickt hatte). In der AKTION waren zuvor vom Jan-März 1914 kurze Prosastücke (Vom reinen Gefühl, Auf eine Siegniederlage) erschienen und das Gedicht „Die Frau“.


Die Frau

Als sie mit endlichem Entschluss
das Fenster aufriss
und ihren Leib auf die Straße warf,
geschah dies so,
daß niemand es sah.
Das Schreien verhielt sie
im Bewußtsein der Tat.
Nur das erschreckte Gewein eines Kindes
Erfüllte ihr Ohr in dem Augenblick,
der zwischen Sturz und Sterben ihr blieb.
Und sie glaubte,
zuletzt erschauernd,
es weine um sie.

Aus: Die Aktion. Jg. 4, Nr. 1, 3. Januar 1914,

Das Bild "Kontrapunkte" ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch, mit freundlicher Genehmigung der Hdei Kupfer Stiftung Fredelsloh als Nachlassverwalterin.

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