Dienstag, 7. März 2017

Clara Müller-Jahnke: Eine Dichterin / Frieden / Mutter Erde



Eine Dichterin


An Meeresstrand bist du geboren,
umrauscht von seinem frischen Wind,
erblühtest du, der Welt verloren,
der Freiheit unentwegtes Kind!
Dein Wiegenlied schon sang der Wogen
geheimnisvolle Melodie -
so ward, in ihrem Hauch erzogen,
dein Traum und Sinnen Poesie.

Nun wogt die See durch deine Lieder,
ein unergründlich tiefes Meer:
Die Welle flieht und kehret wieder
und glitzernd sprüht der Schaum umher,
erbrausend schlägt sie auf am Strande,
doch nur des Kenners Blick allein
erspäht im feuchten Ufersande
der Perle Glanz im Muschelschrein.

Frieden

Ich möchte still durch einen Tannenwald
mit dir im roten Abendfrieden schreiten,
wenn ganz von fern das Aveläuten hallt
und lichtgesättigt sich die Zweige breiten.

Dann legtest du die Hand auf meine Brust
und fühltest, wie die heißen roten Wellen
beruhigt gleiten und in sanfter Lust
nur unterm Drucke deiner Finger schwellen.


Mutter Erde

Mitternächtges Dunkel spinnt
um die Welt ein heimlich Träumen;
leise singt der Frühlingswind
in den knospenschweren Bäumen.

Fern noch einer Lampe Schein,
und der Himmel schwarz verhangen - -
in den dunklen Birkenhain
bin ich einsam ausgegangen.

Schmeichelnd um die Stirne streicht
mir der Lenznacht weicher Odem,
aus den feuchten Beeten steigt
Erdgeruch und Nebelbrodem.

Aus dem Schoß der Wolken fällt
groß und warm der erste Tropfen -
und mir ist, das Herz der Welt
hör ich in der Stille klopfen.

Durch die Nacht, so kirchenstill,
geht ein Raunen und ein Regen,
jedes kleinste Pflänzchen will
Zwiesprach mit dem Schöpfer pflegen.

Was in dunklen Tiefen schlief,
ruft ans Licht ein neues Werde -
und die Kniee beug ich tief
zur gebenedeiten Erde. –


Clara Müller-Jahnke, geboren am 5. Februar 1860 in Lenzen, Kreis Belgard als Clara Müller; gestorben am 4. November 1905 in Wilhelmshagen bei Berlin, war Dichterin, Journalistin und Frauenrechtlerin. Sie galt in ihrer Zeit als führende sozialistische Dichterin und machte insbesondere mit ihren agitatorischen Arbeitergedichten auf die Lage der Arbeiter und der Frauen aufmerksam. Doch sie hatte auch eine andere poetische Seite.

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