Sonntag, 4. Juni 2017

Georg Kaiser: Oradour



Oradour

Sie bäumten sich: daß sie gezwungen sengten
und in den aufgebrachten Feuerbrand
die Läufe schießend unaufhörlich lenkten,
bis sich im Schutt nichts Lebendes mehr fand.

Sie sperrten sich mit heiligem Verwahren:
daß sie nur taten, was die Weisung hieß -
weh dem, der im erschüttertem Gebaren
die Waffe wanken oder sinken ließ.

Sie mühten sich mit immer neuem Schildern:
daß die ein Urteil treffe und sie keins -
nicht kann es ihnen sich in jenem mildern
und Weiser und Gewiesene sind eins.

Aus: „An den Wind geschrieben - Lyrik der Freiheit 1933 - 1945“, gesammelt, ausgewählt von Manfred Schlosser unter Mitarbeit von Hans-Rolf Ropertz, Agora, eine humanistische Schriftenreihe, Darmstadt 1961

Georg Kaiser, geboren am 25. 11. 1878 in Magdeburg war ein deutscher Schriftsteller. Er war der erfolgreichste Dramatiker der expressionistischen Generation. Mit seinem 1917 in Frankfurt am Main aufgeführten Drama Die Bürger von Calais (1912/13) errang Kaiser einen ersten großen Erfolg. In diesem Stück geht es um die moralische Haltung, „den Hass ... durch Menschenliebe und stellvertretendes Opfer zu überwinden“. Seine Werke wurden ein Opfer der Bücherverbrennung vom 10. 5. 1933 Trotzdem versuchte er, noch in Deutschland zu bleiben. Er schloss sich Widerstandskreisen an und verfasste Flugblätter. Erst kurz vor einer Gestapo-Hausdurchsuchung flüchtete er 1938 in die Schweiz.  Kaiser, der sich seit November 1944 auf dem Monte Verità in Ascona aufhielt, starb dort am 4. Juni 1945 an einer Embolie. In seinen letzten Lebensmonaten schrieb er noch mehr als 150 Gedichte.

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