Freitag, 8. Dezember 2023

Friedrich Glauser: Schwarze Mauern

 



Schwarze Mauern

Richte schwarze Mauern um dich;
sie werden dir Schutz geben.
Sogar die gelben Strahlen des Mondes
werden zersplittern an ihrer rußigen Farbe.
Mit blutenden Händen werden die Menschen bemalen
den schattenden Hintergrund.
Wie viele Töne singender Herzen verstummen,
wenn die Mauern wachsen
und verfinstern den gelben Abendhimmel.
Nur das Wimmern der Tiere dringt noch zu dir,
das Zischen der Sense durch saftiges Gras.
Richte schwarze Mauern auf um dich
und lass summen die kreisenden Mückenschwärme.

Friedrich Glauser, aus: Pfützen schreien laut ihr Licht, Gesammelte Gedichte, Nimbus Verlag, Wädenswil 2008

Friedrich Glauser, geboren am 4. 2. 1896 in Wien, gestorben am 8. 12. 1938 in Nervi bei Genua. Sein Leben war geprägt von Drogenabhängigkeit und Internierungen in psychiatrischen Anstalten. Trotzdem erlangte er mit seinen Erzählungen und Feuilletons, vor allem jedoch mit seinen fünf Wachtmeister-Studer-Romanen, literarischen Ruhm.

1917 debütierte Glauser als Dichter, als er 21-jährig zusammen mit Hugo Ball und Tristan Tzara bei den legendären Dada-Soiréen im Cabaret Voltaire auftrat.

Emmi Hennings über den Dichter: «Ich lernte ihn […] in der ‹Galerie Dada›, im Sprünglihaus an der Bahnhofstrasse kennen. Dort saß ich grad mal an der Kasse, als Glauser kam, der sich die Sturmausstellung ansehen wollte. [….] Und dann sah er sich die Sturmbilder an, und fand allmählich Gefallen, öfter zu kommen. […] Glauser hat dann auch mehrmals in der Galerie gelesen, eigene Sachen und Nachdichtungen.»

Das Foto zeigt Friedrich Glauser in der Psychiatrischen Klinik Münsingen, in der 1918 das erste Mal, insgesamt etwa sechs Jahre einsaß. «Es ist mir, auch wenn es mir ganz schlecht gegangen ist, immer gewesen, als hätte ich etwas zu sagen, etwas, was außer mir keiner imstande wäre, auf diese Art zu sagen.»

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