Freitag, 13. September 2024

Lyrik von Frauen aus der Zeitschrift Der Querschnitt, Band 12 / 1 1932

 



Mitropa

Ich sitze mich aus etwas heraus
in jedem Augenblick.
In jenem Stuhl bekam ich ein Haus.
Von diesem weicht Baum und Fabrik.
Es schiebt mich etwas von hinterrücks,
dem ich es gerne gewähre.
Ich nipp am Cherry,
knabbre Keks,
und streichle eine Föhre.


Araberin

Sie hebt die magre, kleine, schwerberingte Hand
als tanze sie.
All diese schmalen Schwarztuchfrauen sind verwandt,
und in ihr rot und gelb gewürfelt Tuch
sind ihre platten, gelben Brote eingewickelt.
Des offnen Kürbis süßlicher Geruch
weht nun von ihr,
die langsam ihn zerstückelt.

Toni Hyrkan-Loewenthal


Industrielle

o schreibmaschine, parlaphon,
mittel zum herr-werden über die
köstliche zeit,
elektrischer stuhl, kartoffelquetscher
und bügeleisen, ihr wunder des XX. jahrhunderts!

Wir füllen die batterien bis an den rand,
schrauben, hebel, räder,
alles rollt sanft, in öl schwimmt die achse,

isolator, propeller, ventile,
tost, knistert, pufft! Die luft soll beben,
und wenn es uns noch so viel kostet,

wir werden es schaffen,
packen, zerdrücken,
wir werden die ersten sein,
wir werden es lösen

      (was denn?)

Ibby Gordon


Chanson

Wenn ich, Fremder, wirklich dir gefalle,
stell dich heute abend bei mir ein,
ich hab Pflichten - ich versäum sie alle,
denn es wird ja nicht für immer sein.

Sage deiner Frau, du gingst spazieren,
Kopfweh macht das Frühjahr, red ihr ein,
fürchte nicht, du könntest sie verlieren,
denn es soll ja nicht für immer sein.

Nicht sehr lang wird unser Lenz betören,
aber für heut abend kauf ich Wein,
heute abend will ich dir gehören,
und es muss ja nicht für immer sein.

Erika Mitterer


Bänkellied

Ich bin in meinen Freund verliebt,
Er hat einen großen, schönen Mund.
Und wenns auch öfter Schelte gibt,
So was ist nur gesund.

Wir gehn spazieren Hand in Hand
Im Frühling, wenn der Krokus blüht,
Er sagt, er wäre nur Verstand,
Und ich wär nur Gemüt.

Er sagt, ich wär sentimental,
Und dafür hätt er keinen Sinn,
Und mir ist alles so egal,
Wenn ich nur bei ihm bin.

Ich kauf ihm für erspartes Geld
Den neuen Schlips, den neuen Hut,
Er sagt, dass es ihm nicht gefällt,
Ich find, es steht ihm gut.

Mein Freund ist arm, roh und kommun,
Ich glaub, dass es viel Nettre gibt.
Der Frühling kommt, was soll ich tun. . .
Ich bin in ihm verliebt.

Anna Katharina Salten

Der Querschnitt – Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte war eine Kulturzeitschrift, die von 1921 bis 1936 veröffentlicht wurde.

Toni Hyrkan-Loewenthal, geboren 1907 in Tarnowitz, Sprachlehrerin, Übersetzerin, Autorin, auch Toni Devora Ginzburg, Todesdatum nicht bekannt, Veröffentlichungen von ihr unter anderem: Lieder der Talita, Tarshish Books, Jerusalem 1956; Ja Chalili, Ja Amali (O meine Flöte, o meine Arbeit) Ein Palästina-Tagebuch, in Zwischen den Zelten: Junge jüdische Autoren; 1932

Ibby Gordon, ungarische Dichterin, die auch auf deutsch schrieb, und über die ich im www nicht viele Informationen gefunden habe, das Erwähnenswerteste über sie scheint wohl zu sein, dass sie für eine Zeit die Geliebte von Elias Canetti war, der ihr 1928 nach Berlin gefolgt war. Weiß jemand mehr über sie? (Ich bleibe dran)

Erika Mitterer, geboren am 30. März 1906 in Wien; gestorben am 14. Oktober 2001 in Wien, Epikerin, Lyrikerin, Dramatikerin und engagierte Leserbriefschreiberin mit den sozialen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ihrer Zeit auseinandergesetzt. (Wiki)

Anna Katharina Rehmann-Salten, geboren am 18. August 1904 in Wien, gestorben am 27. März 1977 in Zürich, Übersetzerin, Journalistin, Illustratorin und Schauspielerin. Ihr

Sie ist heute vor allem durch ihre Übersetzungen bekannt, insbesondere von John Steinbecks antifaschistischem Roman The Moon is Down, den sie auch für Theater bearbeitete.


Das Bild ist von Giovanni Segantini (1858 - 1899)

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