Mittwoch, 18. Dezember 2024

Emmy Hennings: Ich lebe im Vielleicht / Ach, was soll mir all Bekennen. . .

 


Ich lebe im Vielleicht

Ich lebe im „Vielleicht“,
Bin eine stumme Frage
Und alles ist mir Sage,
Soweit Gedanke reicht.
O komm, geliebtes Schweigen,
Und hüll mich zärtlich ein.
Wird alles anders sein,
Will ich mich tiefer neigen.

Emmy Hennings

Ach, was soll mir all Bekennen,
Schönes Schweigen, hüll mich ein.
Trunken in mir selber brennen,
Will ich Rausch und Säule sein.
Wort und Namen – wozu nennen?
Nicht mehr hören, nicht mehr sehn,
Wenn des Lebens bunte Chöre
Klingend mir vorüberwehn.
Nur die Siegel mögen brennen
Tief in meiner Seele Grund.
Daß ich Katakombe wäre,
Flamme, Gold und Gottesmund . . .

Emmy Hennings, aus: Emmy Ball-Hennings: Hugo Ball - Sein Leben in Briefen und Gedichten; Mit einem Vorwort von Hermann Hesse; S. Fischer Verlag Berlin 1930
Hennings, Emmy, geboren am 17. Januar 1885 in Flensburg; gestorben am 10. August 1948 in Sorengo bei Lugano, Dichterin, unter anderem Mitbegründerin des legendären Cabaret Voltaire 1916 in Zürich. „Ich habe eine Aversion gegen den Dadaismus gehabt. Es waren mir zu viele Leute entzückt davon.“

„Niemals hat die Dichterin auf der Sonnenseite gelebt und es leicht gehabt, vielleicht hat sie es auch niemals ernstlich sich gewünscht. Sie lebt lieber unter den Kämpfenden, Armen, Bedrückten, sie liebt die Leidenden, sie fühlt für die Verfolgten und Rechtlosen. Sie bejaht das Leben auch in seiner Härte und Grausamkeit und liebt die Menschen bis in alle Verirrung und Not hinein.“ Hermann Hesse über Emmy Hennings

„Zu einer Zeit, im Jahre 1915, als weder ich noch Tzara, noch Arp mir ihm zusammen waren, als Ball mit seiner Frau Emmy Hennings, als Refraktaer, unter dem Druck der Schweizer Fremdengesetze, ohne Geld und Nahrung muehselig existierte, wurde das Cabaret Voltaire gegruendet. Weder Arp noch ich noch gar Tzara gruendeten das Cabaret Voltaire, sondern Ball mit seiner Frau Emmy Hennings. . . . Emmy Hennings´ Einfluss war still, aber trotz seiner Unbemerktheit ausserordentlich stark.“

Aus: Richard Huelsenbeck, „Autobiographie“ (um 1953), Typoskript im Nachlass.
Das Bild ist von Marianne von Werefkin (1860 - 1938)

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