Ein milder Wintertag
An jenes Waldes Enden,
Wo still der Weiher liegt
Und längs den Fichtenwänden
Sich lind Gemurmel wiegt;
Wo in der Sonnenhelle
So matt und kalt sie ist,
Doch immerfort die Welle
Das Ufer flammend küßt:
Da weiß ich, schön zum Malen,
Noch eine schmale Schlucht,
Wo all die kleinen Strahlen
Sich fangen in der Bucht;
Ein trocken, windstill Eckchen
Und so an Grüne reich,
Daß auf dem ganzen Fleckchen
Mich kränkt kein dürrer Zweig.
Will ich den Mantel dichte
Nun legen übers Moos,
Mich lehnen an die Fichte
Und dann auf meinen Schoß
Gezweig' und Kräuter breiten,
So gut ich's finden mag:
Wer will mir's übel deuten,
Spiel ich den Sommertag!
Will nicht die Grille hallen,
So säuselt doch die Ried;
Sind stumm die Nachtigallen,
So sing' ich selbst ein Lied.
Und hat Natur zum Feste
Nur wenig dargebracht:
Die Lust ist stets die beste,
Die man sich selber macht.
Annette von Droste- Hülshoff (geboren am 12., nach anderen Quellen am 10. Januar 1797, gestorben am 24. Mai 1848), aus: Die schönsten Gedichte, Insel Taschenbuch 4525
Bild: Caspar David Friedrich (1774 - 1840)
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