Zum „Glasperlenspiel“ von Hermann Hesse
So wie ein Vogel frei im Schweben
Mit sich empor den Himmel trägt,
So mag der Dichter sich erheben
Im Flügellied. Die Schwingen beben
Wie um den Turm ein Flügelpaar.
Wie eine Taube, welche singt,
Singt holde Weisheit hell und klar,
Die sich in lichte Höhen schwingt.
Wer gab den Dingen Maß und Ziel,
Vermied im Lied das Ungefähre?
Ach, es befreit ein göttlich Spiel
Den Lauscher aus der Erdenschwere.
O, werben um das Namenlose,
Das sich dem Liebenden ergibt,
Es haucht der Duft der fremden Rose:
Von jeher hab ich dich geliebt.
In Gleichnissen ist hier gestaltet
Der Glaube an die Zaubermacht
Des Geistes, der noch siegreich waltet
Als Hoffnungsstern in dunkler Nacht.
Dies liest sich schön wie eine Mythe
Von eines leisen Daseins Sinn.
Gibst du dich willig diesem Spiele hin,
Blickt sie dich an, die Wunderblüthe
Und spricht für dich: ich war, ich bin. . .
Zum „Glasperlenspiel“
Verwandlung, Spiel, das uns bewegt
So wie ein Vogel frei im Schweben
Mit sich empor den Himmel trägt,
So mag der Dichter sich erheben
Im Flügellied. Die Schwingen beben,
O, Wunder Kraft, bist du das Blut,
Das sich verwandelt hat in Geist,
Sich hingibt voller Lebensmut
Und ewig nur um Schönheit kreist.
Wie um den Turm ein Flügelpaar.
Wie eine Taube, welche singt,
Singt holde Weisheit hell und klar,
Die sich in lichte Höhen schwingt.
In vielen Gleichnissen gestaltet
Der Glaube an die Zaubermacht
Des Geistes, der noch siegreich waltet
Als Hoffnungsstern in dunkler Nacht.
O, schön ist dies, wie eine Mythe,
Die wir schon fast versunken wähnten,
Die blaue Blume, Wunderblüte,
Die wir oft suchten und ersehnten.
Als wär es dies, was wir erstrebten,
In unsern fernen, vagen Träumen,
Was wir vor Ewigkeiten lebten,
Mit leisem Heimweh nur umsäumen.
Des Lebens Ruf ist nicht verklungen.
Die Schönheit ist des Dichters Braut,
Die ihm vom Göttlichen gesungen,
Ihm ihr Geheimnis anvertraut.
So kennt er wohl den fremden Riegel,
Der unsere Seele neu erschließt.
Er gleicht dem Taucher unterm Meeresspiegel,
Der manchmal nicht zu sehen ist.
Er steigt hinab bis auf den Grund,
Wo jede Perle schimmernd schlief,
Die einmal nach dem Dichter rief.
Sie strömt als Lied von seinem Mund.
Ein Rätselspiel hält uns im Bann.
Wie können wir das Spiel verstehn?
Mit Blumenaugen siehts uns an.
Wir haben nur den Blick gesehn,
Der uns mit Ehrfurcht hat erfüllt.
Es gibt der Gleichnisse gar viel.
Das Namenlose aber ruht verhüllt.
Es träumt in einem Perlenspiel.
Emmy Ball-Hennings, maschinengeschriebenes Skript aus dem Nachlass, Schweizerische Nationalbibliothek, datiert 24. Juli 44
Nach eigenen Angaben hat HermannHesse Ende 1930 mit der Arbeit an seinem Opus magnum begonnen. Am 29. April 1942 schloss er diese ab, im Februar 1943 arbeitete er aber nochmals ein Kapitel um. Am 18. November 1943 erschien die Erstausgabe in zwei Bänden in Zürich, nachdem Peter Suhrkamp vom deutschen Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda im Sommer 1942 ein definitives Druckverbot für den S. Fischer Verlag erhalten hatte.
Emmy Hennings, geboren am 17. Januar 1885 in Flensburg; gestorben am 10. August 1948 in Sorengo bei Lugano, Dichterin, unter anderem Mitbegründerin des legendären Cabaret Voltaire 1916 in Zürich. Um 1920 begann die Freundschaft von Emmy Hennings, Hugo Ball, ihrem Ehemann, und Hermann Hesse, die auch über Hugo Balls Tod anhielt.
„Niemals hat die Dichterin auf der Sonnenseite gelebt und es leicht gehabt, vielleicht hat sie es auch niemals ernstlich sich gewünscht. Sie lebt lieber unter den Kämpfenden, Armen, Bedrückten, sie liebt die Leidenden, sie fühlt für die Verfolgten und Rechtlosen. Sie bejaht das Leben auch in seiner Härte und Grausamkeit und liebt die Menschen bis in alle Verirrung und Not hinein.“ Hermann Hesse über Emmy Hennings