Montag, 16. November 2015

Jens Heimreich - Der Derwisch in der Wüste




Der Derwisch in der Wüste


Ich bin allein, die einst sich mir gesellten,
Seh ich auf Pfaden, die mein Engel mied.
Wenn ich auch sang vor ihren schwarzen Zelten,
Nachtvogelgleich mein erstes Lied.


Was ich ersann, träumt wunderlich geborsten
Wie Türme tun, die nie ein Mensch betrat,
In großen Wüsten, wo die Adler horsten,
Und golden steht des Schweigens reife Saat.


Ich will die Gärten meines Hoffens fliehen,
Zu früh schon ward des Lebens Dolde schwer
Um die ich warb, ich laß sie gerne ziehen,
Mein Wort verlangt nach Menschenohr nicht mehr.


Gewärtig nur bin ich der Unsichtbaren
Und meine Lippe sei fortan geweiht,
Daß sich mein Wandel stärke in Gefahren
Und würdig sei in würdeloser Zeit.




Jens Heimreich war ein deutscher Dichter, der sich einer Berliner Wiederstandsgruppe gegen die Nationalsozialisten anschloss. Er wurde 1940 an die Ostfront verfrachtet, wo er 1943 verwundet wurde und 1944 starb. Dieses und andere seiner Gedichte ist während des Krieges entstanden und wurde illegal verbreitet.

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