Montag, 16. November 2015

Kurt Kapper - Was kommt denn noch




          Was kommt denn noch


Und wir begreifen unsre Schritte kaum,
Wenn wir durch diese langen Gänge gehn,
Wir können diese Welt noch nicht verstehn
Und hängen tastend zwischen Zeit und Raum.

Wir sehen Steine nur und keinen Baum,
Denn während wir in diese Höfe spähn,
Scheint unser Denken völlig still zu stehn
Als lebten wir in einem wachen Traum.

Was kommt denn noch? Ist es noch nicht genug?
Wer hat uns denn in diesen Kreis verbannt?
Wir haben solches Suchen nie gekannt.

Und zagen scheu vor jedem Atemzug.
Das ist doch Traum! Das ist doch Selbstbetrug!
Und unbegreiflich quält sich der Verstand.


Dieses Gedicht schrieb Kurt Kapper im Konzentrationslager Theresienstadt, wohin er 1941 kam. 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert, wo er am 16. 2. 1945 noch nach der Befreiung durch die Sowjetarmee starb. 

Ein weiteres Sonett von ihm:

 


Sonett von Theresienstadt

Und Nacht und Tag, und Tag und Nacht,
Sie gleiten über unsre Häupter hin,
Zusammenhanglos, ohne Kraft und Sinn,
Als hätte Puppen man aus uns gemacht.

Der Klang der Welt, von Fernen hergebracht,
Wir hören ihn an uns vorüberziehn,
Und irgendwo iin Weiten sacht verglühn,
Und immer tiefer sinken wir im Schacht.

Hineingestellt in großes Weltgeschehn,
Trägt uns der Nachen, unbekannt wohin.
Kaltblaue Sterne, die herniedersehn

Und über unsern irren Wegen ziehn
Verklären uns in tröstendem Verstehn
Und kreisen segnend über uns dahin.

1943 in Theresienstadt entstanden



Aus: „An den Wind geschrieben, Lyrik der Freiheit 1933 – 1945“, gesammelt, ausgewählt und eingeleitet von Manfred Schlösser unter Mitarbeit von Hans-Rolf Ropertz; Schriftenreihe Agora, Darmstadt 1960

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