Freitag, 27. September 2019

Ernst Wilhelm Lotz: Keine Sterne / Hart stoßen sich die Wände an den Straßen. . .




Keine Sterne

Die Straße dehnt sich lang in rote Ferne.
Die Lampen glühen prall das Pflaster an.
Ich blick hinauf. Sehr dringend. Doch die Sterne
Sind lichtverwischt und zeigen sich nicht an.

Das macht mich traurig in der lauten Gassen.
Doch ich bin jung und gräme mich nicht gern.
Ich schau umher. Und finde lauter blasse,
Totmatte Augen. Keinen Augenstern.

Entmutigt lasse ich mich von dem Strome treiben
Die Hände tief in Taschen durch die Stadt.
Und weiß, ich werde heute Verse schreiben.
Verhängt wie Sterne und wie Augen matt.


Hart stoßen sich die Wände in den Straßen ...

Hart stoßen sich die Wände in den Straßen,
Vom Licht gezerrt, das auf das Pflaster keucht,
Und Kaffeehäuser schweben im Geleucht
Der Scheiben, hoch gefüllt mit wiehernden Grimassen.

Wir sind nach Süden krank, nach Fernen, Wind,
Nach Wäldern, fremd von ungekühlten Lüsten,
Und Wüstengürteln, die voll Sommer sind,
Nach weißen Meeren, brodelnd an besonnte Küsten.

Wir sind nach Frauen krank, nach Fleisch und Poren,
Es müssten Pantherinnen sein, gefährlich zart,
In einem wild gekochten Fieberland geboren.
Wir sind versehnt nach Reizen unbekannter Art.

Wir sind nach Dingen krank, die wir nicht kennen.
Wir sind sehr jung. Und fiebern noch nach Welt.
Wir leuchten leise. – Doch wir könnten brennen.
Wir suchen immer Wind, der uns zu Flammen schwellt.


Aus: Wolkenüberflaggt, Gedichte, in der Reihe Der jüngste Tag, Band 36, Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1917




Ernst Wilhelm Lotz, geboren am 6. Februar 1890 in Culm an der Weichsel, Westpreußen; er fiel als Kriegsfreiwilliger am 26. September 1914 bei Bouconville, Frankreich. Er war Lyriker und Übersetzer, unter anderem übersetzte er Gedichte von Arthur Rimbaud und Paul Verlaine.

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