Dienstag, 10. September 2019

Maximilian Bern: Wetterleuchten / Vagantenlied



Wetterleuchten

Zerrissene Wolken schimmern hell;
Matt funkeln vereinzelte Sterne.
Ein Wetterleuchten, feuergrell,
Zuckt auf in dämmernder Ferne.

Die flammende Unrast, abends spät
Von der Tagesschwüle geboren,
Dies Lenzgewitter, das rasch vergeht,
Im Grenzenlosen verloren:

Gemahnt an deine Liebe mich,
Die einst in heißen Stunden
So blendend kam, so jäh verblich
Und längst in Nacht entschwunden.

Maximilian Bern, ursprünglich Bernstein, geboren am 13. November 1849 in Cherson, Russisches Kaiserreich; starb am 10. September 1923 in Berlin.

Ab 1875 war er freier Schriftsteller. Er „verstummte als Dichter bald und beschränkte sich in der Folge auf die Herausgabe von Anthologien und Deklamatorien“ (Arthur Schnitzler).

Im September 1923, zur Zeit der Hyperinflation, hob er in Berlin seine gesamten Ersparnisse von über 100.000 Mark, die er ein Leben lang zurückgelegt hatte, von seinem Konto ab um damit genau einen U-Bahn-Fahrschein zu bezahlen. Er machte noch eine letzte Fahrt durch Berlin, um danach in seine Wohnung zurückzukehren, wo er verhungerte.


Vagantenlied

Nun ist mir alles einerlei,
Geht es empor, geht’s abwärts wieder:
Und geht es gar nicht, streck’ ich mich
An Strassenrand zum Sterben nieder.

Der Morgen findet mich dann tot
Wie manchen Vogel auf der Halde,
Wie manches Wild, gestorben nachts
Vereinsamt, hilflos, tief im Walde.

Und streift der erste Frührotschein
Die Wangen mir, die leichenfahlen,
Dann schimmern sie, als freut’ ich mich,
Erlöst zu sein von meinen Qualen.

Aus: „Die zehnte Muse - Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl“, herausgegeben von Maximilian Bern, Berlin 1904

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