Dienstag, 11. April 2023

Camill Hoffmann: Verschlossene Gärten

 



Verschlossene Gärten

Die Winde erzählen am einsamen Hang
Vom Frühling den wartenden Gärten;
Da wird den Gärten vom Lauschen bang,
Sie wissen nicht mehr wie lang, wie lang
Ihre traurigen Tage währten.

In ihren Träumen nur brennt noch hell
Ein heißes heimliches Sehnen
Nach einem springenden Silberquell
Und einer Frau im Rosenrondell
Mit sanften Cantilenen.

Nichts ist den Gärten so wunderbar
Wie ein Lied aus dem Menschenleben;
Drin ist der Liebe süße Gefahr,
Das Schicksal, finster, wild und wahr,
Und der Herzen verschwiegenes Beben.

Sie wussten nichts von der bleichen Frau,
Sie liebten bloß ihr Singen. . .
Das war so mild wie rieselnder Thau
Und machte die Abende weit und blau.
Wer wird das wiederbringen?

Denn eine Ahnung von großem Gram
Trat in ihr schweres Träumen. –
Und als der Frühling in Blüten kam
Und rings die Welt im Sturme nahm,
Da mussten sie ihn versäumen.

Der Dichter Camill Hoffmann wurde am 31. Oktober 1878 in Kolín, Böhmen geboren; im Oktober 1944 wurde er im KZ Auschwitz ermordet. Aus: Aus: Adagio stiller Abende, Gedichte von Camill Hoffmann, Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1902. Die Illustration ist von Adolf Zradila (1868 - 1942), der diesen Gedichtband mit zwanzig Holzschnitten bebilderte und zu dem Gedicht gehörig.

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