Freitag, 7. April 2023

Moriz Seeler: Der Gott des Frühlings

 



Der Gott des Frühlings

Der weiße Gott des Frühlings saß am Hang,
Das Haupt, das licht war, nur von Licht beschienen,
Den Kranz sich flechtend, der ihm schön gelang,
Und traulich Zwiesprach` pflegend mit den Bienen.

Sie flogen ganz verliebt zu seinem Haar
Und saßen auf den Lippen, bei den Augen,
Weil er so rein und voller Süße war,
Als könnten sie gleich Honig von ihm saugen.

Sie machten summend Rast an seinem Kinn,
Umtummelten ihn, schwärmetn, spielten, haschten,
Er streckte lockend seine Finger hin,
An dem sie wie von einer Blume naschten.

Auch raunten sie ihm vielerlei ins Ohr,
Berichteten ihm gern als fromme Späher.
Zuweilen beugte er sich etwas vor,
Dann krochen und bewegten sie sich näher.

Als nun die Luft vor lauter Licht zerschmolz
Und als er seinen Frühlingskranz geflochten,
Nahm er das Flötenspiel aus Weidenholz
Und blies das Lied, das sie so gerne mochten.

Da wurden seine Bienenfreunde stumm
Und wagten´s kaum, die Flügelchen zu heben.
Sie hielten ein mit jeglichem Gesumm,
Um sich dem Klang des Gottes hinzugeben.

Hernach befiel den Gott ein sanfter Schlaf.
Die Bienen blieben, um ihn zu bewachen.
Ein Wandrer, der vorbeikam und ihn traf,
Erzählt, der Schlummernde schien hold zu lachen.

Moriz Seeler, aus: Die Flut, Gedichte, Verlag von Richard Lanyi, Wien 1937

Moriz Seeler (geboren 1. März 1896 in Greifenberg in Pommern als Moritz Seeler; ermordet am 18. August 1942 im Wald von Rumbula oder Bikernieki bei Riga) war ein deutscher Theaterregisseur, Schriftsteller, Filmproduzent. Aus dem Kriegsdienst 1916 entlassen, hielt er sich in Berlin auf und verfasste Gedichte und Sketche und verkehrte in den Berliner literarischen Caféhäusern wie dem Romanischen Café. Else Lasker-Schüler widmete ihm 1920 den Prosatext Hans Heinrich von Twardowsky. Seeler schrieb für die Zeitschrift Der Feuerreiter. Er gründete 1922 und leitete bis 1926 die „Junge Bühne“, die ohne festes Personal für Nachwuchsschauspieler in den etablierten Theatern Auftritte in Sonntagsmatineen organisierte. Arnolt Bronnens Vatermord machte die Reihe 1924 bekannt, da es zu einem Theaterskandal kam. Eine Reihe von Schauspielern, Regisseuren und Dramatikern fand durch Produktionen der „Jungen Bühne“ ihren Einstieg in eine Karriere, Seeler produzierte 1926 mit Bertolt Brecht die Berliner Erstaufführung des Baal. Marieluise Fleißers Fegefeuer in Ingolstadt wurde 1926 bei Seeler uraufgeführt, ebenso Hans Henny Jahnns Die Krönung Richards III. und bereits 1924 Carl Zuckmayers Pankraz erwacht oder Die Hinterwäldler.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten floh Seeler 1933 nach Prag und Wien, kehrte aber, da er keine Arbeit fand, 1935 in das Deutsche Reich zurück. Dort arbeitete er in noch halbwegs geduldeten Bühnenproduktionen mit Agnes Straub und Günther Weisenborn zusammen und war für den Jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr tätig. 1937 veröffentlichte er in einem Wiener Verlag einen Gedichtband, der unter anderem von Kurt Pinthus in der CV-Zeitung rezensiert wurde. Ab 1938 hielt er sich wieder in Berlin auf, ohne im Theater arbeiten zu können, wurde dann aber als Zwangsarbeiter eingesetzt. Während der Novemberpogrome 1938 wurde Seeler kurzzeitig verhaftet. Von Berlin aus wurde Seeler am 15. August 1942 in das Ghetto Riga deportiert.

Seeler wurde am 18. August 1942 im Wald von Rumbula (oder Bikerniek) ermordet. (Wiki)

Das Bild „Der Imker“ ist von Iwan Nikolajewitsch Kramskoi (1837 - 1887)

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