Donnerstag, 11. Mai 2023

Lisa Baumfeld: Glaubensbekenntnis

 



Glaubensbekenntnis


O, ich glaub' an weite Märchenauen,
Die im Wolkenland der Seele blauen, -
Und an Engel, die mit Schönheit laben,
Blondes Haar und weisse Hände haben;
Und ich höre in des Waldes Knistern
Tausend feine Elfenstimmen flüstern, -
Seh' die scheuen, lockigen Najaden,
Blasse Glieder weich in Mondschein baden, -
Kann an hastig hellen Wassern lauschen
Wie so viele Thränen darin rauschen ...

Und ich glaube an die gold'nen Schwellen,
Wo die wirren, rothen Düfte quellen,
Wo im Winde hohe Lilien schaukeln,
Wo dich Träume wundersam umgaukeln.

Und ich glaub' an flammende Cadenzen,
Die im ew'gen Sternenrhythmus glänzen,
Die in tiefen, hehren Melodien
Alle Schöpfung ahnungsschwer durchziehen,
Und ich weiss, - dass selbst die harten Töne
Einst zerschmelzen in das Ewig-Schöne, -
Dass im Leben, das dich müde wiegt,
Ein Symbol, ein Weites, Gold'nes, liegt.

Lisa Baumfeld, geboren am 27. April 1877 in Wien; gestorben am 3. Februar 1897 ebenda.

Lisa Baumfeld erkrankte schwer und verstarb innerhalb weniger Tage im Alter von 19 Jahren in Wien. Postum gab Ferdinand Groß 1899 eine Sammlung ihrer Gedichte unter dem Titel „Gedichte“ heraus.

Das Bild ist von Giovanni Giacometti (1868 - 1933)

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