Sonntag, 3. September 2023

Isidor Quartner: Sehnsucht

 



Sehnsucht

In meinen Adern häufet sich Blütenstaub:
Wie alles Blut in ihm versiegt!
Von Sehnsucht erklingend begatten sich gläserne
              Blumen in meinem Herzen. . .

Fallen welkend aus den Schatten der Schläfen
Meiner Finger enge Fünfblattblüten
Und verlieren sich in reißenden Strömen. . .

Da weht aus des Gaumens Wüste so müder Wind.
Da beugen sich zitternde Zweige zu mir herab
Und trinken heißen Wein aus den Kelchen meiner Augen.

Mit flaumiger Pfirsichhaut sind Himmel und Steine bekleidet.
Vom Sonnenfelsen höhnt mich begreifendes Lächeln von Schlangen:
Das verglättet alle Kanten zu weicher Rundheit.

Dürstendes Dickicht warf sich über den Schoß der Sommernacht:
Nun ist des Tages Hauch eine zimtduftende Orchidee,
In der ich betäubter Falter flattre.

In meinem Haupte rauscht ein Garten,
Auf dessen Kronen schwelender Abend drückt.
Grellrote große Früchte schwingen tönend im Sturm.

Nachts neigen sie sich von den Stielen und fallen.
Wie Flammen von Fackeln. Ertrinken im Tau einer Lider.
Hastet der Sturm durchs phosphorleuchtende Schilf meiner Wimper. . .

Isidor Quartner, geboren 1891, „gefallen“ im September 1915, aus: Der Sturm, Juli 1913

Das Bild ist von Odilon Redon (1840 - 1916)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen