Geh ohne Mantel und vergiss . . .
Geh ohne Mantel und vergiss,
was deine Heimat war.
Erfahre früh, daß nur der Riß
der Welten dich gebar
und daß du selber Zwiespalt bist,
ein Ding aus Traum und Zeit.
Und wenn die Liebe unterwegs dich küßt,
dann gehst du doppelt weit.
Sonett an deine Hände
Ihr seid ein schmaler Weg, ganz mondenweiß,
auf dem die Sehnsucht durch die Nächte geht,
und wie der Stern, der über blauen Wäldern steht,
drängt ihr die Angst aus eurem Kreis.
Vor eurer Süße werden Mädchen blind und heiß
und sinken in euch wie in ein Gebet;
und wie der Wind, der aus der Ferne weht,
verschenkt ihr Dinge, deren Namen man nicht weiß.
Ihr seid von blassem Samt ein Kissen,
wie die, auf denen Königinnen gar
den Stolz in Demut wandeln müssen.
Und seid ein bleiches Gift, doch süß und klar,
daß, die es tranken, dann noch lächeln müssen,
wenn sie der Tod schon nimmt an ihrem Haar.
„Noch nie fühlte ich die Bedeutung der Hände so sehr.
Die Hände der Liebenden leben ein eigenes Leben. Und wenn der Mund der Rand der Seele ist, so sind die Hände der Liebenden die Schale, darin sie ruht.
Und wenn ihre Hände sich berühren, so ist es, als ob der Inhalt zweier Schalen ineinander fließe.“
Aus einem Brief an Otto Hirss vom 17. 11.1947
Aus: Hertha Kräftner Kühle Sterne
Gedichte, Prosa, Briefe
Aus dem Nachlaß herausgegeben von Gerhard Altmann und Max Blaeulich
Mit zwei Nachworten, Wieser Verlag 1997
Hertha Kräftner, geboren am 26. April 1928 in Wien; gestorben am 13. November 1951 ebenda
Sie wuchs im burgenländischen Mattersburg auf, 1947 zog sie nach Wien In den literarischen Kreisen der österreichischen Hauptstadt erlangte sie bald Anerkennung und fand sich im Oktober 1948 erstmals gedruckt: Hermann Hakel, Kräftners erster literarischer Förderer, veröffentlichte in seiner Zeitschrift Lynkeus ihr Gedicht „Einem Straßengeiger“.
1950 trat sie mit dem literarischen Zirkel um Hans Weigel im Café Raimund in Verbindung, sprach und korrespondierte mit Schriftstellern wie René Altmann, H.C. Artmann, Gerhard Fritsch, Friederike Mayröcker, Jeannie Ebner und Andreas Okopenko, die in der Zeitschrift Neue Wege publizierten. Auch Kräftners Werke erschienen dort und in anderen Blättern, z. B. Stimmen der Gegenwart, wurden im Wiener Volksbildungshaus Urania sowie im Rundfunk vorgestellt.
Trotz dieser ersten schriftstellerischen Erfolge fühlte sich Kräftner unverändert einsam und traurig. Im August 1950 flüchtete sie nach Paris zu Marguerite Rebois, die sie in Norwegen kennengelernt hatte. Es gelang ihr, sich ein wenig zu zerstreuen, so dass sie dort eine nach eigenen Aussagen sehr glückliche Zeit verbrachte. Unter diesem Eindruck entstand das "Pariser Tagebuch", das von der Zeitschrift Neue Wege 1951 mit dem Prosapreis gewürdigt wurde. Außerdem begann sie, auf Anregung Frankls an ihren „Notizen zu einem Roman in Ich-Form“ zu arbeiten. Dieser Roman blieb jedoch Fragment. Auch ihre 1949 begonnene Dissertation zum Thema „Die Stilprinzipien des Surrealismus, nachgewiesen an Franz Kafka“ schloss sie nicht ab.
In der Nacht vom 12. auf den 13. November 1951 nahm sie sich mit einer Überdosis Veronal das Leben.
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