Samstag, 10. Juni 2023

Hermann Plagge: Heimgang im Regen

 


Heimgang im Regen

Die Dunkelheit hockt, eine graue Wachtel,
Auf den Gerüsten eines Riesenbaus.
Die Bahn stößt mich unter den Bäumen aus
Und surrt - und wird fern klein wie eine Schachtel.
Der Asphalt schimmert regenschwarz, wie Eis,
Darin man Wassertümpel eingeschlagen.
Gestalten stelzen fort in hohen Kragen.
Ein Auto spritzt brutal durch das Geschmeiß.
Ich bin so plötzlich aus der Stadt entrückt.
Der böse Regen pladdert auf den Park.
Kieswege werden weich und weiß wie Quark.
Bänke stehen leer und schroff zurechtgerückt.
Ferne schrein Autos hilflos und verirrt.
Ein Teich im Park glänzt tintig und verdickt.
Die goldenen Fische sind im Schlamm erstickt. . .
Ein Denkmal steht am Ufer weiß und friert.

Hermann Plagge, aus: Die Aktion 1915


Hermann Plagge, geboren am 11. Juni 1888 in Weener, gestorben am 16. September 1918 in Mainz, wo er beim Baden ertrank. Seine Tätigkeit als Schriftsteller begann mit eher lokalen Beiträgen für die Zeitungen Hannoverland, Das Land und Weser-Zeitung. Durch Oskar Kanehl, dem Herausgeber des Wiecker Boten, bekam er Kontakt zu Franz Pfempferts Zeitschrift Die Aktion.

„Plagge freute sich, im Gegensatz zum Großteil seiner Dichterkollegen, nicht über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Er notierte die Erlebnisse als Soldat sofort äußerst distanziert und hielt seine Beobachtungen nüchtern fest. Das für diese Zeit typische Pathos blieb ihm fremd. Er vermied abstruse Überhöhungen, hielt nicht an Traditionen fest und schrieb ohne Reime und ausgesprochen frei. Er entwickelte eine eigene Form und bewegte sich im frühen Übergang vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit.“ (Wiki)

Von ihm sind Gedichte Heft Nr. 53 der Lyrik-Reihe „Versensporn“ neu aufgelegt und editiert worden.

Das Bild ist Hans Baluschek (1870 - 1935)

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