Montag, 6. November 2023

Maria Luise Weissmann: Die Heimkehr / Ode an Sebastian

 



Die Heimkehr

Vielleicht, dass mich der schlanke Schaft der Birke trug?!
Nun wurzelt Fuß ins Wurzelwerk der Brombeerranken.
Auf blauem Teiche meines Blicks: Libellenflug.
Gräser im Südwind meines Atems wanken
Und das in sanften Winden wehend fließt:
Kornfeld des blonden Haares, erdgeneigt.
Ein Käfertraum an Fingerstengeln sprießt,
Grille, die aus umlaubter Achselhöhle geigt -
Oh, ich ward Tiefe, Weite, und der Wald,
Der müdverhängter Wimper grün entdämmert,
Und lausche: wie der kleine Specht, mein Herz,
Aus fernen Hügeln sacht herüberhämmert.


Ode an Sebastian

Oh, Du warst Baum! Darinnen Vögel schliefen.
Winde sich hold vermählten. Leoparden bogen kühl.
Ein Lamm. Gewölk, lag weich an Dich gebettet,
Auch warst Du weit, dass fernster Städte Dach
Noch Deiner Zweige Schatten überwölbte.
Oh, Du warst weit! Ich konnte Deinen Wurzeln, die
Den Ball, verspielte Hände, eng umschlangen, nicht
Entgehen, Knöchel sank und blutete betränt.
Und Du warst groß! Es hing der Abendstern an Dir
Und losch vergrämt, als Du mit Stürmen Dich besprachst,
Du trugst die Sonne auf erhobenen Haupt,
Nacht sank in Trauer, da Du es geneigt.

Maria Luise Weissmann, aus: Das Frühe Fest, Heinrich F.S. Bachmair, Pasing 1922

Maria Luise Weissmann (20. 8. 1899 – 7. 11. 1929) Ab 1918 erschienen erste Arbeiten von ihr (teilweise unter dem Pseudonym M. Wels) im Fränkischen Kurier. Sie befreundete sich mit Georg Britting, in dessen Zeitschrift Die Sichel vier ihrer Gedichte erschienen, und wurde Sekretärin des Nürnberger Literarischen Bundes. Bei einer Lesung dort lernte sie im Juni 1918 den Autor und Verleger Heinrich F. S. Bachmair, den sie vier Jahre später heiraten sollte.

1919 übersiedelte Weissmann nach München, wo sie in der von Bachmair neu gegründeten Buchhandlung Die Bücherkiste zusammen mit ihrem Cousin Wilhelm von Schramm arbeitete. Sie trat der Münchener Gesellschaft Bund für Buddhistisches Leben bei und arbeitete in dem der Gesellschaft verbundenen Verlag von Oskar Schloß in Neubiberg. Außerdem wurde sie Mitglied der 1919 in Nürnberg gegründeten literaturrevolutionären Gruppe Das junge Franken. In den folgenden Jahren veröffentlichte sie Gedichte in verschiedenen Zeitschriften, darunter Die Sichel, Der Weg, Der Anbruch und Die Flöte.

Sie hatte sich auf Seite der Linken in der Münchner Räterepublik engagiert und war nach deren Ende zu Festungshaft verurteilt worden. Im Juli 1920 kam er frei und Weissmann zog zu ihm nach Pasing und heiratete ihn im Juni 1922. In den folgenden Jahren lebte das Paar abwechselnd in Pasing, München und Dresden. Im gleichen Jahr 1922 erschien auch ihr erster Gedichtband Das frühe Fest. (Wiki)

Das Foto zeigt die Dichterin 1928, der Fotograf ist Hanns Holdt (1887 - 1944)

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