Sonntag, 27. August 2023

Victor Hadwiger: Mein Tag

 



Mein Tag

Und tausend Nächte hatten mich genarrt
Da leuchtend lachend kam der Tag! -
Ich starb.
Den Tag der Liebe starb ich
Es war kein Puppenspiel, war kein Hetärenmärchen,
Ein starkes, warmes Glück, ein purpurner Triumph. -
Weltrauschen hört ich, Mutter. Immergrüne Träume
Band ich zum Kranze meiner Feldherrnstirne.
Das ich in Wüsten fand, das Herz,
Auf Marmorstufen führte mich mein Herz,
Wo der Gedanke weint, der mich betrog,
In aller Schönheit Fiebergluten
Warf ich mein Herz und taumle, taumle, taumle!
In tausend Nächte tauch ich meinen Fluch!
Das war ein Tag, in seine Adern biß ich mich
Und sog ihn mit der Seele ein.
Ich starb zu Babel! - Leuchtend sprang
Das Glas, die Scherben klirrten!
Ein König! Ein Triumph! - Ich starb.
Die Garden salutierten.

Victor Hadwiger (1878  -  1911), aus: Die Aktion Nr. 17. 12. Juni 1911

1899 begann er ein Studium der Literaturgeschichte und Philosophie in Prag. Daneben verkehrte er im neoromantischen Literaturzirkel „Jung-Prag“, wo er u. a. mit Paul Leppin und Hugo Wiener, aber auch mit dem zehn Jahre älteren Bürgerschreck Gustav Meyrink nähere Bekanntschaft schloss und bald zu einer der markantesten Figuren der künstlerischen Bohème avancierte. „Leppin und Hadwiger erschienen meist zwillingsbrüderhaft gemeinsam. Sie waren beide sehr groß und trugen enorme Hüte, fielen auch auf der Straße auf. Beide sehr blaß, bunte Künstlerkrawatten flatterten um ihren Hals“, erinnerte sich rückblickend Max Brod in seinen Aufzeichnungen über den „Prager Kreis“. Im Frühjahr 1903 zog er nach Berlin, um sich dort durch die Mitarbeit an der „Vossischen Zeitung“ und eigene literarische Arbeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sein im gleichen Jahr erscheinender Lyrikband Ich bin verhalf ihm hier zu einem viel beachteten Einstand. 1911 erschienen Victor Hadwigers Novelle „Der Empfangstag“ sowie die beiden Liebesgeschichten „Blanche“ und „Des Affen Jogo Liebe und Hochzeit“. Eine sich nun langsam abzeichnende erfolgreiche Schriftstellerkarriere beendete jedoch sein plötzlicher Tod am 4. Oktober 1911.


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