Donnerstag, 19. Juni 2025

Christian Friedrich Wagner: Sommersonnenwende

 


Sommersonnenwende

Sag, was kündest du mir, Sonnenwendkraut, leuchtender Busch du?
Nicht Johanniskraut, nein, Lichtheiliger mögest du heißen!
Sommerverkünder, so weit das Auge erfasset die Landschaft.
Lichthell stehet der Rain und sommerlich glühet der Wegsaum,
Borget den Nächten sogar ein mitternachtsonniges Dämmern.

* * *

Stets sich steigert die Glut, daß glitzern die Blätter des Eichwalds
Wie in metallischem Glanz. - Gott! Rosen, ja Rosen in Menge!
Rot und röter und weiß. - Ach, wie ermüdet die Fülle!
Silbrig flimmert die Luft und goldgleich zittert der Sonnball.

Aus: Späte Garben, Gedichte von Christian Wagner, München und Leipzig bei Georg Müller, 1909

Christian Friedrich Wagner, geboren am 5. August 1835 in Warmbronn, Baden-Württemberg; gestorben am 15. Februar 1918 ebenda, Kleinbauer und Dichter.

Seine Stellung zur Kriegslyrik seiner Zeit war eindeutig, wie aus einem Brief an Hermann Hesse hervorgeht: Nachdem er schon mehrfach „um Kriegslieder angegangen worden“ sei, schreibt er weiter: „das Heldentum des Nitroglyzerins erkennen wir [Dichter] nicht an!“ Als der befreundete Dichter und Kriegsdienstverweigerer Gusto Gräser aus Deutschland ausgewiesen werden sollte, setzte er sich für ihn ein. 

Er leidet sehr unter dem fortgesetzten Kämpfen und Töten und wünscht sich, Eremit zu werden. „Ich beklage, dass es in Deutschland keine Wälder mehr gibt, wie im Mittelalter, zur Zeit der Eremiten, in die hinein ich mich verkriechen könnte, um dort nur noch mit frommen Tieren zu leben.“

„Lieber ein barmherziger Heide als ein unbarmherziger Christ“

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