Stiller Tag
Silbern rinnt des Wassers Kühle,
lautlos rauscht die Mittagsschwüle,
und dazwischen
flüstert Wind in den Gebüschen.
Hingelagert ruht die Herde.
Wollnes Vlies schmiegt sich zur Erde.
Über Gräsern
schwebt der Himmel hoch und gläsern.
An den Halmen paarweis hangen
Falter, die sich spielend fangen:
Bunte Waage,
schwer von Liebe, schwer vom Tage.
Abendröte kommt geflossen,
Blumenkelch hat sich geschlossen.
In der Ferne
blinken auf die ersten Sterne.
Marianne Dora Rein, aus: Vier Gedichte, in Der Morgen, Zweimonatschrift der Juden in Deutschland, herausgegeben von Julius Goldstein, Philo-Verlag, Berlin, Heft 5 August 1938
Marianne Dora Rein, geboren am 2. Januar 1911, war eine junge hoffnungsvolle jüdische Dichterin aus Würzburg. Am 27. November 1941 wurde Marianne Rein zusammen mit ihrer Mutter mit dem ersten aus Würzburg abgehenden Transport zusammen mit weiteren 200 Personen, darunter 40 Kindern und Jugendlichen, deportiert. Der Transport ging über Nürnberg nach Riga. Die Deportierten wurden, so eine Überlebende, in den eiskalten Wirtschaftsgebäuden des Jungfernhofes bei Riga untergebracht. Von dort gingen ab Februar 1942 Transporte ab, zuletzt am 26. März 1942 ein Transport mit ca. 1700 Menschen. Alle Abtransportierten wurden am gleichen Tag in einem Wald bei Riga erschossen. Von den im November 1941 aus Franken nach Riga Deportierten haben, soweit bekannt, zwei Personen überlebt.
Das Bild ist von Paul Ranson (1864 - 1909)
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