Donnerstag, 19. Juni 2025

Emil Arnold-Holm: Die Judengasse

 


Die Judengasse

Um diese Gasse wehn der Schwermut Schwingen.
Schwer lastet auf ihr Vergangenheit.
Zuweilen hörst du alte Lieder singen,
dann ist’s, als weinte tiefes, müdes Leid.
Aus schmalen Fenstern schauen manchmal Kinder
Mit Augen, die traurig und wissend sind.
An einer Straßenecke steht ein Blinder.
Sein flüsterndes Gebet erstirbt im Wind.
Der schwarzen Mädchen rote Lippen dürsten
Nach Glück und Liebe, die sie nie gekannt.
Manchmal siehst Greise du wie stolze Fürsten,
Die man in das Exil verbannt.
Am Sabbat glühn aus allen Fenstern Kerzen,
Bevor die Nacht noch schreitet durch das Tor,
Und flackern leise, wie flammende Herzen,
Im stillen Feierglanz zu Gott empor.

Emil Arnold-Holm, aus: Colin, Amy und Kittner, Alfred (Hrsg.): Versunkene Dichtung der Bukowina, München 1994

Emil Arnold-Holm ist das Pseudonym eines österreichischen Schriftstellers aus den 30er Jahren, dessen Identität nicht völlig geklärt ist; geb. vermutlich 1911 in der Bukowina, 1938 in Wien ermordet. 1955 erscheint der Anthologieband Dein Herz ist deine Heimat, in dem ein Gedicht Arnold-Holms vertreten ist, und wo angegeben wird, es handle sich um einen jungen österreichischen Autor, der bei einem der ersten Pogrome des Jahres 1938 in Wien getötet wurde.

Das Bild „Die Judengasse in Wien“ ist von Hans Götzinger (1867 - 1941)

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