Mittwoch, 10. Dezember 2025

Hugo Sonnenstein: Rückkehr

 



Rückkehr

Von Sonka (6.2.1941)

Am Ende sucht im Irrsal seiner Nöte
der Enkel Zuflucht bei der Väter Haus:
Von morscher Schwelle, die ich scheu betrete,
– ich hör das Raunen biblischer Gebete –
schau ich nach einem, der mir öffnet, aus.

Der Tag erlischt, die Äcker und die Gärten
verdämmern und vergehn vor meinem Blick,
verschneit, verweht bis in die letzten Fährten
ist meiner Wege Traum und Spiel und Glück.

Und es versinken meiner Erde Grenzen
in Frost und Einsamkeit der Wolkenhöhn,
im Abend seh ich dunkles Blut erglänzen,
wie Opferfeuer, die bei Toten stehn.

Und die Dezembernacht auf grauen Flügeln
entschwebt dem ruhevollen Friedhoftal,
die kalten Fernen ihres Himmels spiegeln
die Sterne und des Mondes Sichelmal.

Ums starre Angesicht der Landschaft breitet
der Sturm ein Leichentuch von Schatten aus.
Es naht ein Bote, der, von Gott geleitet,
– ich hör ihn, wie er durch die Eisnacht schreitet –
mir gnädig aufschließt meiner Väter Haus.

Hugo Sonnenschein, aus: Sonka: Schritte des Todes. Traumgedichte. Limmat-Verlag, Zürich 1964

Hugo Sonnenschein, geboren am 25. Mai 1889 in Gaya, Österreich-Ungarn, gestorben am 20. Juli 1953 in Mirov, Tschechoslowakei, er schuf expressive Gedichte mit volksliedhaften Zügen. In seinen Gedichten stilisierte er sich selbst zum „Bruder Sonka“. Von 1911 bis 1914 zog er als Vagabund durch Europa. 1934 wurde er aus Österreich ausgewiesen. 1940 wurde er von den Nazis im Gefängnis Pankrác inhaftiert und 1943 in das KZ Auschwitz deportiert und 1945 befreit. Seine Frau wurde in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Das Bild mit dem Titel Winter ist von Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (1875 - 1911)

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