Der Ballspieler
Die fremden Knaben mit den seidnen Larven
- Bloß in der Mitte einer das Gesicht
Ganz frei und ohne jede Hülle - warfen
Die vielen Bälle aufwärts in das Licht.
Sie waren plötzlich weg: der zweite . . . dritte,
Der sechste und der siebente verschwand,
Bis nur noch jener eine aus der Mitte
Ganz rein und hüllenlos im Walde stand.
Er schien den Fuß kaum vor- und rückzustellen,
Zuweilen drehte er den Körper zwar
Doch spielte er mit den gesamten Bällen
Der ganzen vorher dagewesnen Schar.
So leicht, als müsse er nur einen werfen
Und sei von jedem neuen Ball beschenkt,
Und alle seine Muskeln oder Nerven
Erschienen kaum bewegt und angestrengt,
Fast wirbelte es allzu bunt - er aber
Schuf spielend manche herrliche Figur.
Und Flammen, Kreise, Blumen, Kandelaber,
Die ihm gelangen, waren Bälle nur.
Doch suchte in dem farbigen Gewimmel,
Beim Flug der Bälle und beim Niederfall,
Der Blick des Spielenden allein den Himmel
Und hing an ihm, als gäb es keinen Ball.
Moriz Seeler, aus: Central-Verein-Zeitung, Allgemeine Zeitung des Judentums, XV. Jahrgang / Nr. 15, Berlin, 9. April 1936
Moriz Seeler, geboren am 1. März 1896 in Greifenberg in Pommern als Moritz Seeler; ermordet am 18. August 1942 im Wald von Rumbula oder Bikernieki, Theaterregisseur, Schriftsteller, Filmproduzent.
Aus dem Kriegsdienst 1916 entlassen, hielt er sich in Berlin auf und verfasste Gedichte und Sketche und verkehrte in den Berliner literarischen Caféhäusern wie dem Romanischen Café. Seeler schrieb für die Zeitschrift Der Feuerreiter. Er gründete 1922 und leitete bis 1926 die „Junge Bühne“, die ohne festes Personal für Nachwuchsschauspieler in den etablierten Theatern Auftritte in Sonntagsmatineen organisierte.
Das Bild ist von François Louis Schmied (1873 - 1941)
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten floh Seeler 1933 nach Prag und Wien, kehrte aber, da er keine Arbeit fand, 1935 in das Deutsche Reich zurück. 1937 veröffentlichte er in einem Wiener Verlag einen Gedichtband, der unter anderem von Kurt Pinthus in der CV-Zeitung rezensiert wurde. Ab 1938 hielt er sich wieder in Berlin auf, ohne im Theater arbeiten zu können, wurde dann aber als Zwangsarbeiter eingesetzt. Während der Novemberpogrome 1938 wurde Seeler kurzzeitig verhaftet. Von Berlin aus wurde Seeler am 15. August 1942 in das Ghetto Riga deportiert.
Seeler wurde am 18. August 1942 im Wald von Rumbula (oder Bikerniek) ermordet.
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