Dienstag, 9. Dezember 2014

Gerrit Engelke - Ich will heraus aus dieser Stadt

Gefunden an einer Hauswand in Bremen Gröpelingen


     Ich will heraus aus dieser Stadt

Ich weiß, daß Berge auf mich warten,
draußen  - weit  -
und Wald und Winterfeld und Wiesengarten
voll Gotteseinsamkeit. 
Weiß, daß für mich ein Wind durch Wälder dringt,
so lange schon  -
daß Schnee fällt, daß der Mond nachtleise singt
den Ewig-Ton. 
Fühle, daß nachts Wolken schwellen,
Bäume,
daß Ebenen, Gebirge wellen
in meine Träume. 
Die Winterberge, meine Berge tönen  -
Wälder sind verschneit. 
Ich will hinaus, mit euch mich zu versöhnen!
Ich will hinaus aus dieser Zeit,
hinweg von Märkten, Zimmern, Treppenstufen,
Straßenbraus. 
Die Waldberge, die Waldberge rufen,
locken mich hinaus!
Bald hab ich diese Straßenwochen,
bald diesen Stadtbann aufgebrochen
und ziehe hin, wo Ströme durch die Ewig-Erde pochen,
ziehe selig in die Welt!

Im Jahre 1913 schrieb der bekannte Dichter Richard Dehmel an seinen Kollegen Paul Zech: „Hier schicke ich Ihnen eine Reihe Gedichte von einem jungen Unbekannten, die wie geboren für Ihre neue Zeitung sind. Der Mann heißt Gerrit Engelke und ist ein gewöhnlicher Stubenmaler (Anstreichergehilfe), 21 Jahre alt, ein wahres Wunder. Ich bin sonst immer mißtrauisch gegen sogenannte Naturpoeten und gehe mit Empfehlungen überhaupt sehr sparsam um, aber hier muß ich eine Ausnahme machen.“

Gerrit Engelke wurde am 21. Oktober 1890 in Hanover geboren. „Gewiß ist Engelke der Dichter des Maschinenzeitalters, doch unter dem Einfluß Whitmans erscheint bei ihm die Arbeitswelt in idealisierter Sicht.  . . . Trotz aller Faszination teilte er freilich den unreflektierten Fortschrittsglauben seiner Zeit nicht.“ , heißt es über ihn im Buch „Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen  -  Vergessene und verkannte Autoren des 20. Jahrhunderts“ von Hans J. Schütz.
Am 13. Oktober 1918 fiel er an der Westfront, kurz nachdem er einem Freund geschrieben hatte, er wolle über das „vom Krieg befreite, wieder menschlich-brüderlich werdende Völkereuropa der Städte, der Arbeit, des Lebens“ schreiben.
Dass Engelke dem städtischen Leben jedoch auch kritisch gegenüber stand zeigt sein Gedicht „Ich will heraus aus dieser Stadt“, in dem es unter anderem heißt: „Bald hab ich diese Straßenwochen, / bald diesen Stadtbann aufgebrochen / und ziehe hin, wo Ströme durch die Ewig-Erde pochen, / ziehe selig in die Welt!“

Leider lässt sich nicht sagen, wohin sich der frühverstorbene Dichter entwickelt hätte. Doch eines lässt sich gewiss sagen: Er ist zu Unrecht dem Vergessen anheim gefallen. 


            

2 Kommentare:

  1. dem Vergessen anheim gefallen, wie viele andere, und viele, die es auch verdient hätten, wahrgenommen zu werden auch heute ein Schattendasein fristen ...
    Neuer Blog? Schön übersichtlich. Ich werd dich auf meinem verlinken, wenn es genehm ist?

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  2. Gerne, Danke. Ja, neuer Blog. ich habe mittlerweile so viele mich berührende Texte angesammelt, dass ich mich entschloss, diese, soweit es das Copyright zulässt, auf einem eigenen Blog zu veröffentlichen. Angefangen hatte ich mit Ernst Tollers Schwalbenbuch. (so stelle ich mir ein Lesebuch zusammen, wie ich es gerne im Deutschuntericht gehabt hätte)

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