Nachtlied
Ach du, die nun ein Kindlein wiegt,
Singe dein heimliches Lied, das kleine,
Das dir so tief im Herzen liegt. –
Wiege dein Kindlein, singe und weine.
Ach du, so singe doch, weint auch dein Kind,
Deine Träume gehen ja doch in die Ferne, –
Leise rauscht um das Haus der Wind,
Du aber suchst nur die sieben Sterne.
Die haben einmal eine Nacht gesehn,
Zwei Menschen, und hörten das heimliche Lied,
Singe, dann wird dir dein Schmerz vergehn,
Singe, nur singe, daß Gott behüt –
Dein Kindlein, ach, und ist es nicht,
Ei, singe das Lied, so wird es wohl dein.
Schau in die Ferne, das Morgenrot bricht
Wieder in jungen Tag hinein.
Singe dein Lied, das kleine Lied,
Deinem Kindlein sing es so heimlch und leis –
Das Lied, das in seligster Nacht erblüht,
Und nur noch von deinen Thränen weiß!
Singe dein heimliches Lied, das kleine,
Das dir so tief im Herzen liegt. –
Wiege dein Kindlein, singe und weine.
Ach du, so singe doch, weint auch dein Kind,
Deine Träume gehen ja doch in die Ferne, –
Leise rauscht um das Haus der Wind,
Du aber suchst nur die sieben Sterne.
Die haben einmal eine Nacht gesehn,
Zwei Menschen, und hörten das heimliche Lied,
Singe, dann wird dir dein Schmerz vergehn,
Singe, nur singe, daß Gott behüt –
Dein Kindlein, ach, und ist es nicht,
Ei, singe das Lied, so wird es wohl dein.
Schau in die Ferne, das Morgenrot bricht
Wieder in jungen Tag hinein.
Singe dein Lied, das kleine Lied,
Deinem Kindlein sing es so heimlch und leis –
Das Lied, das in seligster Nacht erblüht,
Und nur noch von deinen Thränen weiß!
René Schickele 1905
über Hanns Holzschuher (1874 - 1912):.
Hanns Holzschuher in München hat
einen Band Verse herausgebracht, der sich den jüngsten Versbüchern nicht recht
angliedern läßt. Er hat keine Fühlung mit der jungen lyrischen Garde, weil
seine Gemächlichkeit, sein Gemüt ihn abseits drängen. Holzschuher ist ein
bürgerlicher Outsider. So etwas wie ein Ringen um die Form kennt er kaum. Es
fließt ihm aus dem Herzen, man muß in biedern, herzlichen Worten von seiner
Lyrik sprechen. Welch ein kluger und schlichter Biedermeier! oder auch nicht.
Das Biedermeiertum ist für den Modernen eine wehmütige Reminiscenz. Die
Biedermeierzeit bietet uns wohl ähnliche Sensationen, wie sie die galante Zeit
dem Gallier schenkt. Die graziöseste Zeit germanischer Vergangenheit scheint
ein ewig deutscher Traum geworden zu sein. Diese steife Grazie und ein wenig
holprige Eleganz ist so deutsch, und die Haltung erlaubt etwas Selbstironie;
sie muß dem modernen Germanen ein Kulturtraum bleiben, weil sie nördliches
Temperament offenbart, in einem ursprünglich welschen Milieu die sinvollen
Gartenbeete schuf und die zierlichen Sträuße, und weil der verliebte Studente
da zum lieben Typus auswuchs, wie er seitdem nimmer gesehen ward. Die
Atmosphäre ist wohltemperiert, sie schützt, schmeichelt dem Kraftgenie
Zierlichkeit an, die Gesichter sind voll und rund – ein sehr sympathisches
Deutschtum, wirklich. Hanns Holzschuher ist im verträumten Genre
Biedermeiertums (wie Eichler, der Jugendzeichner) und in der heutigen Lyrik ein
[1Klassiker. Fernab vom Spiel der Masken lebt ein tiefer Mensch mit einer
leicht und schwebend klingenden Herzensweise. Er giebt den Abglanz der Zeit,
wie er auf den Beeten seines Gärtchens ruht, versöhnliche Menschlichkeit und
blühende Melancholie. Wenn ich nun glaube, daß diese Gedichte doch nur auf dem
Boden einer lyrischen Kultur erstehen konnten, so wird ein Gedicht das
erklären. Es heißt "Nachtlied" und ist nicht das beste.
Diese Lyrik giebt mehr als ein
Genre. Der Ton, der bleibt, klingt höher als das Lied; eine Schönheit wird
lebendig und wirkt nach.
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