Weihnachtslegende
Ich bin durch Winter und Wald gegangen,
Eia Maria,
Ich bin durch den Winterwald gegangen,
Sah alle Tannen voll Sternen hangen,
Engel standen im Schnee und sangen,
Eia Maria.
Auf einer Lichtung im weißweißen Wald,
Eia Maria,
Erschien deine gebendeite Gestalt,
Deine Augen strahlten solche Gewalt,
Dass ich mich zitternd am Baum gekrallt,
Eia Maria.
Du trugst auf deinen Armen lind,
Eia Maria,
Das himmlische, dass irdische Kind,
Und dein Gefolge war Schnee und Wind,
Reh, Wiesel und Maulwurf blind,
Eia Maria.
Du zeigtest den Tieren deinen Sohn,
Eia Maria,
Die Menschen haben für ihn nur Hohn -
Da neigten sich Hirsch und Hase schon,
Der Wind wehte sanft, der Schnee wie Mohn,
Eia Maria.
Du stiegest empor durch Tann und Farr,
Eia Maria.
Da beugten die Bäume sich mit Geknarr,
Da neigten die Felsen sich felsicht und starr,
Und da kamen auch Menschen - ein Kind und ein Narr -
Eia Maria.
Klabund, aus: Gesammelte Gedichte, Lyrik, Balladen, Chansons, Phaidon-Verlag Wien 1930. Erster Kreis Die Himmelsleiter
Klabund, das ist Alfred Henschke, (1890 - 1928) Für die Nazis, die seine Werke später verboten, seine Bücher verbrannten, war er ein „Asphaltdichter“, also in etwa ein entarteter und verjudeter Künstler, für die Kommunisten war er ein „bürgerlicher Individualitätstrottel“. Doch mit seinen Gedichten, die er in kleinen Heften, wie zum Beispiel der „Harfenjule“ veröffentlichen ließ, billig gedruckt und günstig zu haben, so wollte er es, traf er einen Volkston, der ihn bei den „kleinen Leuten“ beliebt machte.
Das Bild ist von Mario Bertola (1880 - 1926)
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