Novalis -
Monolog
Es ist
eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine närrische Sache; das rechte
Gespräch ist ein bloßes Wortspiel. Der lächerliche Irrtum ist nur zu bewundern,
daß die Leute meinen - sie sprächen um der Dinge willen. Gerade das
Eigentümliche der Sprache, daß sie sich bloß um sich selbst bekümmert, weiß
keiner. Darum ist sie ein so wunderbares und furchtbares Geheimnis, - daß
wenn einer bloß spricht, um zu sprechen, er gerade die herrlichsten,
originellsten Wahrheiten ausspricht. Will er aber von etwas Bestimmten
sprechen, so läßt ihn die launige Sprache das lächerlichste und verkehrteste
Zeug sagen. Daraus entsteht auch der Haß, den so manche ernsthafte Leute gegen
die Sprache haben. Sie merken ihren Mutwillen, merken aber nicht, daß das
verächtliche Schwatzen die unendlich ernsthafte Seite der Sprache ist. Wenn man
den Leutennur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache wie mit einer
mathematischen Formel sei. - Sie machen eine Welt für sich aus - sie
spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur aus, und
eben darum sind sie so ausdrucksvoll - eben darum spiegelt sich in ihnen das
seltsame Verhältnisspiel der Dinge. Nur durch ihre Freiheit sind sie Glieder
der Natur, und nur in ihren freien Bewegungen äußert sich die Weltseele und
macht sie zu einem zarten Maßstab und Grundriß der Dinge. So ist es auch mit
der Sprache - wer ein feines Gefühl ihrer Applikatur, ihres
Taktes, ihres musikalischen Geistes hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer
inneren Natur vernimmt, und danach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird
ein Prophet sein, dagegen wer es wohl weiß, aber nicht Ohr und Sinn genug für
sie hat, Wahrheiten wie diese zu schreiben, aber von der Sprache selbst zum
besten gehalten und von den Menschen, wie Kassandra von den Trojanern,
verspottet werden wird. Wenn ich damit das Wesen und Amt der Poesie auf das
deutlichste angegeben zu glauben habe, so weiß ich doch, daß es kein Mensch
verstehen kann, und ich ganz was Albernes gesagt habe, weil ich es habe sagen
wollen, und so keine Poesie zustande kommt. Wie, wenn ich aber reden müßte? und
dieser Sprachtrieb zu sprechen das Kennzeichen der Eingebung der Sprache, der
Wirksamkeit der Sprache in mir wäre? und mein Wille nur auch alles wollte, was
ich müßte, so könnte das ja am Ende ohne mein Wissen und Glauben Poesie sein
und ein Geheimnis der Sprache verständlich machen? Und wär ich ein berufener
Schriftsteller, denn ein Schriftsteller ist wohl nur ein Sprachbegeisterter? –
(1798)
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