Sonntag, 20. Oktober 2024

Thekla Merwin . Mutter Erde

 



Mutter Erde

Wenn die Stunde schweigt und die Stille tönend wird,
Nur ein Falter sonnentrunken erdwärts irrt,
Wie das Brausen eines Meeres tönt in klare Luft,
Wie der Atem eines Gottes schwillt der Blumenduft.

Und ich fühle mich der starken Erde tief verwandt
Wie ein Kind, das seinen Weg zur Mutter fand,
Und ich schmiege mich an deinem dunklen Schoß,
Erde, Mutter, fruchtbar, liebevoll und groß!

Was ich liebe heißt nicht Vater-, sondern Mutterland,
Mutterland, das alle Menschen gleich umspannt,
Das uns unsre Nahrung reicht in voller Saat,
Und uns schlafend nimmt, wenn unsre Stunde naht.

Thekla Merwin, aus: Arbeiter-Zeitung vom 19.9.1926

Thekla Merwin, österreichische Schriftstellerin, wurde am 25. April 1887 in Riga geboren.

1911 erschienen Merwins erste Publikationen, anfangs noch gezeichnet mit Thekla Merwin-Blech. Sie veröffentlichte Gedichte, Feuilletons, kurze Prosawerke und Dialoge in dutzenden Zeitschriften und Zeitungen, eine selbstständige Publikation kam jedoch nicht heraus. 1933 wurde sie Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Thekla und Magda Merwin wurden am 24. September 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert. Mit dem Transport vom 19. Oktober 1944 wurden Mutter und Tochter ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht und am 20. Oktober 1944 in der Gaskammer des Krematoriums III ermordet.

Das Bild ist von Annie Swynnerton (1844 - 1933)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen