Donnerstag, 3. Juli 2025

Fritz Brügel: Landschaft in der Ostravica / Fremdes Land / Brief an einen Arbeiterdichter in Dachau

 



Landschaft in der Ostravica


Hier starben viele; Abend ist verschwiegen;
der unerlöste Himmel ist verbrannt!
Es droht der Fluß! Vermeide seinen Strand,
Es wird sein Atem deinen Traum besiegen.

Der Landschaft Schatten habe ich erkannt
und seltene Vögel sah ich sichtbar fliegen;
nie wird sich Licht um diese Berge schmiegen
und ihre Felsen faulen früh im Sand.

Es war ein Wald und Bäume waren nah -
oh, ungeahnten Äthers Tag und Tau -
wie eine Fahne wölbte sich das Blau,
das an dem Himmel dieser Zeit geschah,
Ich war der Dämon, der in trunkener Schau
das Land der Sünde heilig schweigen sah!


Fremdes Land

Oh, fremdes Land der bunten Fahnen
und fremdes Wort, das mich bezwang.
In hellen Fenstern brennt Gesang.
Musik läßt tiefen Kummer ahnen.

Ich werde niemals heimwärts kommen,
mich schlug der Weg ins Labyrinth.
Aus dunkler Kirche bringt der Wind
das stumme Lied der wahrhaft Frommen.

Ich bin im Dunkel und verkünde
zu fremder Uhr die fremde Zeit.
Ich seh´ dich nicht, ich bin zu weit,
ich bin im Dunkel und erblinde.

Fritz Brügel, aus: Drei Gedichte, in Die Wage, 17. III. 1923


Brief an einen Arbeiterdichter in Dachau


Lieber Freund! Wir können uns nicht sprechen,
Weil man dich aus der Gemeinschaft strich,
Um dir Geist und Ehre zu zerbrechen,
Denn - die mächtigen Feinde fürchten sich,
Fürchten sich vor uns, die gar nichts haben
Als der Wahrheit Wort und das Recht,
Das sie täglich töten und begraben,
Das sich täglich aufzustehn erfrecht.
Unsre Feinde fürchten die paar Worte,
Die man nächtens für die Zukunft schrieb,
Und sie hoffen, daß dein Herz verdorrte,
Weil die Mörderfaust dich niederhieb;
Doch ich weiß, was sie auch immer machten,
Was sie dir an Schimpf und Qual verhängt;
Du wirst diese Meute stumm verachten,
Die, bewaffnet, zehn um einen drängt.

Mitten unter euch, wie ihr im Lager,
Hat sich als Genossin euch gesellt:
Mutter Deutschland, aufgereckt und hager,
Wundgeschlagen, aber nicht gefällt.

Sie wie ihr erwartet eine Stunde,
Sie wie ihr ist vor Empörung bleich,
Sie wie ihr weiß, daß sie einst gesunde,
Sie wie ihr harrt auf das freie Reich!
Sie wird eines Tages allen sichtbar
Sich erheben und zum Aufruhr schrein,
Dann ist der Bedränger Meute sichtbar. . .
Und ihr Werk wird nie gewesen sein!

Fritz Brügel, unter dem Pseudonym Wenzel Sladek, in Bunte Woche, Nr. 3, 21. 1. 1934, Wien

Fritz Brügel, geboren am 13. Februar 1897 in Wien; gestorben am 4. Juli 1955 in London. Er wuchs in Prag auf und studierte Geschichte an der Universität Wien. 1921 promovierte er mit einer Arbeit über die Geschichte der Deutschen in Böhmen zum Doktor der Philosophie. Anschließend war er Leiter der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Wiener Arbeiterkammer. Nach dem Scheitern des Februaraufstandes 1934 floh Brügel in die Tschechoslowakei. Nachdem ihm 1935 die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, nahm er die tschechoslowakische an. Er war als Legationsrat im Außenministerium der Tschechoslowakei tätig und lieferte Beiträge für verschiedene Zeitschriften. 1936 führte ihn eine Reise in die Sowjetunion. Nach dem Münchner Abkommen vom September 1938 emigrierte Brügel nach Frankreich. Er hielt sich in Paris, später in Südfrankreich auf. 1941 gelang ihm die Flucht über Spanien und Portugal nach Großbritannien. In London war er bis 1945 für die tschechoslowakische Exilregierung und als Autor für die österreichische Exilzeitung Zeitspiegel tätig.


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