Montag, 3. November 2025

Clara Ratzka: Komm, lass uns wandern, Geliebter! / Liebe. / Abendregen.

 



Komm, lass uns wandern, Geliebter!

Über die blühende Erde spannt sich des Glückes goldener Bogen,
die dunklen Vögel sind fortgezogen - lass uns wandern!

Mich streifte der Schicksalshauch ihrer Schwingen,
mein Herz will wieder lachen und singen,
inbrünstig umfassen, was blüht und klingt.

Es sehnt sich nach Wolken, Blumen und Bäumen,
nach wallenden Flüssen und nach den Träumen,
den süßen, die in der Dämmerung schweben.

Es sehnt sich nach dem heiteren Leben
das frei wie ein kristallenes Lied
durch die Herzen der Liebenden zieht!


Liebe.

In den Zaubermantel deiner Liebe
hülle fest mich ein,
dass ich von dem Weltgetriebe
nichts mehr spüre -
- - - - - - - - - - - - - - - - -
nichts mehr spüre
als den warmen Herzschlag unsrer Liebe.


Abendregen.

Vom warmen Regen eingehüllt
sind Felder, Wege und Bäume
ich horche wartend, flehend hinaus -
weshalb kommen sie nicht, die Träume,
die zaubervollen, die uns die Sonne gesungen,
der See und das klingende Blau,
die tief aus unfasslichem Urgrund entsprungen,
ein Wunderwerk in den herrlichen Bau
des großen Weltalls,
das Gott uns gegeben!
Wo ist das starke heilige Leben,
das sieghaft die grauen Formen durchbricht?
Ich sehe es nicht.
Tropfen um Tropfen,
warm wie Blut,
rinnen über mein armes Gesicht.

Clara Ratzka, aus dem Nachlass, maschinengeschriebene Manuskripte, Stadtarchiv Münster 

Clara Ratzka, geboren als Klara Ernst am 4. September in Hamm, gestorben am 3. November in Berlin, Schriftstellerin, sie schrieb Romane, Reiseberichte und Gedichte.

Als Kind zeigte schon früh einen gewissen Hang zur Wildheit und Ausgelassenheit. Später schrieb Clara einmal, dass sie lieber als Junge auf die Welt gekommen wäre. Gern jagte sie Fantastereien nach. „Im übrigen war ich sehr unbändig, was sogar zu Prügeleien mit Jungens auf dem Domplatze ausartete, so dass meine ältere und sehr gesittete Schwester sich veranlasst sah, die Verwandtschaft mit mir zu verleugnen.“

„Soweit ich zurückdenken kann, war es meine größte Freude, zu phantasieren und mir selber und meinem Bruder Fritz Geschichten zu erzählen. Am liebsten saß ich dabei auf einem Baum. Es gab für mich nichts, was man schlicht hätte hinnehmen können, alles hatte etwas Besonderes und Buntes: ein eigenes Leben".

Zitiert aus: Liselotte Folkerts - Die westfälische Schriftstellerin Clara Ratzka Biografie Werk Rezeption Münster Privatdruck 2001

März 1911 heiratete Clara Ratzka in zweiter Ehe den ungarischen Künstler Arthur Ludwig Ratzka, einen bekannten Berliner Porträtmaler, und zog mit ihm nach Berlin-Wilmersdorf. Die Kontakte zu Malern, Musikern und Literaten erschlossen ihr ein neues Lebensumfeld, das sie schließlich selbst zur Schriftstellerei brachte. Das Ehepaar Ratzka ging häufig auf ausgedehnte Reisen, die sie unter anderem in die Schweiz, nach Italien, Litauen und Finnland führten; später bereiste sie die entferntesten Winkel der Welt. Von dort schickte sie zwischen 1910 und 1928 unzählige Reiseberichte nach Deutschland, die in vielen Tageszeitungen veröffentlicht wurden.

Ihren ersten Roman Blaue Adria schrieb Clara Ratzka während des Ersten Weltkriegs im Anschluss an eine Italien-Reise. Damit begann eine Phase intensiver literarischer Tätigkeit: Während der fast zehn Jahre dauernden Ehe mit Ratzka stellte sie zwei Romane im Jahr fertig. Ihr Ehemann übernahm das Lektorat und kümmerte sich um die Veröffentlichung ihrer Bücher. Ihre Themen fand Clara Ratzka in den sozialen Realitäten ihrer Zeit sowie in den Erfahrungen ihres eigenen Lebens. So warf sie in Familie Brake (1919) – ähnlich wie Thomas Mann in Buddenbrooks – einen kritischen und zugleich liebevollen Blick auf eine großbürgerliche Familie des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Spätestens mit diesem Roman gelang ihr der schriftstellerische Durchbruch. Sie avancierte zu einer der meistgelesenen deutschen Autorinnen der 1920er Jahre. Renommierte Verlage wie Ullstein und die Deutsche Verlagsanstalt verlegten ihre Werke, zum Teil in zehntausendfacher Auflage. Zwei davon wurden sogar kurz nach ihrem Erscheinen fürs Kino verfilmt: Die grüne Manuela (1923) und Das Bekenntnis (als Rutschbahn, 1928, mit Heinrich George). Weil vor allem in Ratzkas Romanen immer wieder starke Frauengestalten eine zentrale Rolle spielen, wurde sie als „Dichterin der Frauenschicksale“ bekannt.

Nach der Scheidung von Arthur Ludwig Ratzka heiratete Clara 1922 einen Studienfreund, den promovierten Juristen und Diplomaten Ernst Wendler. Mit ihm lebte sie ab 1923 mehrere Jahre in London, in Paris und zuletzt in Berlin-Zehlendorf. 1927 unternahm sie im Auftrag des Berliner Scherl-Verlags mit dem Dampfschiff „Resolute“ eine Weltreise. In deren Verlauf besuchte sie auch ihren zweiten Ehemann, der mittlerweile in New York lebte und weiterhin ihre Manuskripte betreute. Im Alter von 57 Jahren nahm sich Clara Ratzka am 3. November 1928 in Berlin das Leben. (Wiki)

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