Der
Aufstieg der . .. Bewegung ist der Protest des Volkes gegen einen Staat, der
das Recht auf Arbeit und die Wiederherstellung des natürlichen Auskommens
verweigert. Wenn der Verteilungsapparat des weltwirtschaftlichen Systems von
heute es nicht versteht, den Ertragsreichtum der Natur richtig zu verteilen,
dann ist dieses System falsch und muss geändert werden. . . .
Das wesentliche an der gegenwärtigen Entwicklung ist die große
antikapitalistische Sehnsucht, die durch unser Volk geht, die heute vielleicht
schon fünfundneunzig Prozent unseres Volkes bewusst oder unbewusst erfasst hat.
Diese antikapitalistische Sehnsucht ist nicht im geringsten eine Ablehnung des
aus Arbeit und Sparsamkeit entstandenen sittlich berechtigten Eigentums. . .“
Kurz überflogen und mit einem
Kopfnicken durch gewunken?
„Nun
diese ganze jüdische Welt, die eine ausbeuterische Sekte, ein Blutegelvolk,
einen einzigen fressenden Parasiten bildet, eng und intim nicht nur über
Staatsgrenzen hinweg, - diese jüdische Welt steht heute zum größten Teil
einerseits Marx, andererseits Rothschild zur Verfügung.“
Die bekannte Rhetorik, welche in der
Geschichte so viel Unheil angerichtet hat?
Lesen braucht Zeit, einmal die Zeit
des Lesens selber, dann die Zeit des Überdenkens des Gelesenen, dann die Suche
nach Querverweisen, dann das erneute Überdenken. Das vorschnelle Urteil möchte
zurück gehalten werden. Ein in unserer schnellebigen Zeit verschroben
klingender Satz. Ist es doch eher eine Zeit des plakativen Schreibens, der
schnellen Sätze, der parolenhaften Überschriften, der Stakkatosätze. Der
schnellen Rede und Widerrede im Internet.
Die Formel „weder rechts noch links“
im politischen Spektrum hört sich so griffig an, wenn mit „links“ auch der
Stalinismus bezeichnet wird, oder die chinesische Kulturrevolution. Da greift
das Unbehagen im Magen, auch beim Anblick stalinistischer Diktatoren.
Andererseits: Ein Unbehagen an der Ungerechtigkeit, ein Wunsch nach
Gleichbehandlung aller Menschen, eine Nivellierung der Einkommen zugunsten der
Hungernden und Ausgebeuteten: Das sind traditionell linke Themen, und besonders
die Gleichbehandlung aller Menschen, die im Begriff „Internationale“ manifestiert
ist, da schlägt mein Herz „links“. Doch schon bei dem Begriff „Diktatur des
Proletariats“ rumort es bei mir im Magen: Als Dichter kleinbürgerlicher
Herkunft, als Handwerker in Familienbetrieben habe ich mich nicht dem „Proletariat“
zugehörig gefühlt. Wie viele der „linken“ Schriftsteller der Weimarer Republik
und der Bundesrepublik stehe und ich auch der „Arbeiterbewegung“ sympathisierend
an der Seite, doch in deren Sinne „links“ bin ich nicht.
„Bürgerlicher Individualitätstrottel“
wurde der Dichter Klabund von den Kommunisten der Weimarer Republik genannt,
für die Rechten war er kurz ein „Asphaltliterat“, was gleichbedeutend ist mit „entarteter
Künstler“. Viele der kritischen und für Gleichbehandlung und -gerechtigkeit eintretenden Künstlerinnen und
Künstler ging es so. Und wie vielen Linken der Weimarer Zeit wurde mit dem
Hitler-Stalinpakt die letzte Illusion geraubt, was denn nun „rechts“ oder links“
sei.
Aus der Geschichte lernen? Die drei
Pünktchen „. . . „ im ersten Zitat vor „Bewegung“
stehen für „nationalsozialistische“, hier also gebärdet sich der Sozialismus
national, hört sich links an, und ist doch „rechts“, da nicht auf das
Internationale, auf alle Menschen ausgerichtet, sondern auf die des eigenen Volkes.
Das war zu der Zeit, als noch nicht in Gänze entschieden war, ob die NSdAP nun
der Expansionspolitk Hitlers folgt, dem Herrschen einer Herrenrasse über die
bolschewistischen, slawischen Untermenschen, oder ob sie sich um den nationalen
Sozialismus (mit Ausschluss der Juden) verschreibt. Der Redner obiger Worte
nahm jedoch ein unrühmliches Ende, er wurde von den eigenen Kumpanen ermordet.
Heutzutage wird allerlei Wortebrei
durch die Weiten des Internets geschleudert, weder „rechts“ noch „links“ sollen
wir sein, und uns nicht durch „Teile und herrsche“ auseinanderdividieren
lassen. Dass dann diese Formel von denjenigen in den Mund genommen wird, die
gerne alle Flüchtlinge, „Asylanten“ vertreiben wollen, zugunsten eines
homogenen Was auch immers, das hier unbedingt geteilt und geherrscht werden
muss unter den Ärmsten der Armen, dass die „völkischen“ den Vorrang vor allen
anderen Menschen haben sollen. . . Da wird aus der Formel „weder rechts noch
links“ durchgängig eine „rechte“.
Also: Geht mir weg mit „weder rechts
noch links“. Gerne bin ich als bürgerlicher Individualitätstrottel „irgendwie
links“, auch wenn ich „meinen Marx“ nicht gelesen habe (dafür aber Kropotkin).
Und dass ich den linken Schwestern und Brüdern ein gesundes Misstrauen entgegen
bringe, das liegt daran, dass ich auch dort immer wieder stumpfen Antiamerikanismus
finde, dummen Antisemitismus, gewalttätige Plattitüden. Daher hab ich noch
einmal den Bakunin oben nachgeschoben, als kleiner Fingerzeig, dass „links“
nicht unhinterfragt nachgeplappert werden sollte, und dass Antisemitismus auch
in der „linken“ Tradition zu finden ist, so wie Kapitalismuskritik in der „rechten“.
Schließlich war Bakunin einer der Stammväter des Anarchosyndikalismus.
Doch vor allen mache ich mein Politikverständnis
am konkreten Handeln der Beteiligten fest. Politisches Handeln soll
Menschlichkeit und Herz zeigen, und bei letzterem nicht nur einen rechten
Fleck.
Zitat eins:
Gregor Strasser, aus der Reichstagsrede
über die antikapitalistische Sehnsucht am 10. 5. 1932, zitiert nach Konrad
Heiden „Hitler – Das Leben eines Diktators“, Zürich 1935, S. 398
so geht das Zitat weiter:
„ . . . Sie ist der Protest des Volkes
gegen eine entartete Wirtschaft, und sie verlangt vom Staate, dass er, um das
eigene Lebensrecht zu sichern, mit den Dämonen Gold, Weltwirtschaft,
Materialismus, mit dem Denken in Ausfuhrstatistik und Rechsbankdiskont bricht
und ehrliches Auskommen für ehrlich geleistete Arbeit wieder herzustellen in
der Lage ist. Diese antikapitalistische Sehnsucht ist ein Beweis dafür, dass
wir vor einer großen Zeitwende stehen: die Überwindung des Liberalismus und das
Aufkommen eines neuen Denkens in der Wirtschaft und einer neuen Einstellung zum
Staat.“
Zitat zwei:
Michail Bakunin, „Persönliche
Beziehungen zu Marx“, in Gott und der
Staat und andere Schriften (1871), Reinbek 1971, hier zit. nach Micha
Brumlik, „Antisemitismus im Frühsozialismus und Anarchismus“, in Ludger Heid,
Arnold Paucker (Hg.): Juden und deutsche
Arbeiterbewegung bis 1933, Soziale Utopien und religiös-kulturelle Traditionen,
Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 49,
Tübingen 1992, S. 38 (Zitiert aus Jutta Ditfurth, „Der Baron, die Nazis und die
Juden“, S. 94 )
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