Der kühle Tag
O Tag, so kühl und sonnensatt
Hast du dich in die Welt geschmiegt!
So kühl wie dieses Rosenblatt,
Das zwischen meinen Lippen liegt,
So kühl wie jene Mädchenhand,
Die über meine Stirne ging,
Kühl wie ein seiden Nachtgewand,
Kühl wie ein weißer Schmetterling!
Was tu’ ich nun mit meiner Glut,
Die in die Sonne lechzt und drängt,
Wo du mit einer Schleierflut
Von Wolken mir das Licht verhängt?
Trag’ ich nun still mit heißer Hand
Recht wie ein wartekrankes Kind
Mein rotes Herz durch müdes Land
Bis an den grauen Abendwind.
Aus: Margarete Beutler, Leb’ wohl,
Bohème!
Georg Müller Verlag,
Leipzig und München, 1911
Margarete Beutler,
geboren am 13. Januar 1876 in Gollnow, Provinz Pommern; starb am 3. Juni 1949
in Gammertingen auf der Schwäbischen Alb. Sie wirkte als Lyrikerin und
Übersetzerin aus dem Französischen. In den Schriften zum „Café Größenwahn“ und
zum „Romanischen Café“, wo sie gerne verkehrte und bekannt war, wird erwähnt,
dass sie 1925 „verschollen“ sei. Nach der Geburt ihres Sohnes lebte sie mit
ihrem Mann, Friedrich Freksa, einem Roman- und Krimiautor, in München. Beutler
war u. a. befreundet mit den Autoren Christian Morgenstern und Frank
Wedekind. Nach ihrer Scheidung lebte sie zurückgezogen. Unter der Herrschaft
der Nationalsozialisten entschied sie sich gegen einen Eintritt in die
Reichsschrifttumskammer. Beutler schrieb auch unter den Pseudonymen „Margit
Friedrich“, und „Margarete Friedrich-Freksa“. Sie schrieb in ihrer Berliner
Zeit (bis etwa 1925) im Berliner Dialekt und zählte sich selbst zur sog. Bohème
(vgl. ihr Buch Leb wohl, Bohème! Ein Gedichtbuch, 1911). Gedichte aus
ihrem ersten Gedichtband (1902) sind auch in die Gedichtsammlung Lieder aus
dem Rinnstein von Hans Ostwald (Hrsg.) aufgenommen worden. (Wiki)
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