Dienstag, 8. November 2022

Christian Morgenstern: Acht lustige Könige

 

 

Wie die Galgenlieder entstanden

Es waren einmal acht lustige Könige; die lebten. Sie hießen aber so und so. Wer heißt überhaupt? Man nennt ihn. Eines Tages aber sprachen die lustigen Könige zueinander, wie Könige zueinander sprechen. „Die Welt ist ohne Salz; laßt uns nach Salz gehen!“ sagte der zweite. „Und wenn es Pfeffer wäre“ meinte der sechste. „Wer weiß das Neue?“ fragte der fünfte. „Ich!“ rief der siebente. „Wie nennst du´s?“ fragte der erste. „Das Unterirdische,“ erwiderte der siebente, „das Links, das Rechts, das Dazwischen, das Nächtliche, die Quadrate des Unsinnlichen über den drei Seiten des Sinnlichen.“ „Und der Weg dazu?“ fragte der achte. „Das einarmige Kreuz ohne Kopf und der Basis über dem Winkel!“ sagte der siebente. „Also der Galgen!“ sagte der vierte. „Esto“ sprach der dritte. Und alle wiederholten „Esto“, das heißt „Jawohl“.

Und die acht lustigen Könige rafften ihre Gewänder und ließen sich von ihrem Narren hängen. Den Narren aber verschlang allsogleich der Geist der Vergessenheit - -

 

 



 







 

„Betrachten wir den Galgenberg als ein Lugaus der Phantasie ins Rings. Im Rings befindet sich noch viel Stummes.

 

Die Galgenpoesie ist ein Stück Weltanschauung. Es ist die skrupellose Freiheit des Ausgeschalteten, Entmaterialisierten, die sich in ihr ausspricht. Man weiß, was ein mulus ist: Die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Schulbank und Universität. Nun wohl: ein Galgenbruder ist die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Mensch und Universum. Nichts weiter. Man sieht vom Galgen die Welt anders an und man sieht andre Dinge als Andre“.

Christian Morgenstern, geboren am 6. 5. 1871 in München, gestorben am 31. 3. 1914 in Untermais, Tirol

Musik im Video: Dingefinder, erstellt mit Music Maker Jam und MuseScore, bis auf die Soloflöte, Syrinx von Claude Debussy

Es wurden Bilder verwendet im Video von Alice Bailly, Robert Bateman, John Bauer, Albert Bierstadt, Hieronymus Bosch, Edmund Dulac, Augusto Giacometti, Paul Goesch, Max Frey, Vilhelm Hammershøi, Hugo Henneberg, Ferdinand Hodler, Eero Järrnefelt, Heinrich Lefler, Sidney Lomg, Edward Okun, Niko Pirosmani, Ernest Procter, Arthur Rackham, Andrea Rausch, Herbert von Reyl-Hanisch, Briton Rivière, Eric Harald Macbeth Robertson, Henry Rousseau, Georg Schrimpf, Carlos Schwabe, Franz Sedlacek, Jessie Willcox Smith, Ernst Stöhr, Sergei Jurijewitsch Sudeikin, Hans Thoma, Anna Traquair, Victor Vasnetsov,  Elihu Vedder, Sarah Stilwell Weber, Henryk Weyssenhoff, Michal Wygrzywalski u. a.

Die Bilder sind gemeinfrei bis auf das von der 2016 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch, mit freundlicher Genehmigung der Hedi-Kupfer-Stiftung Fredelsloh als Nachlassverwalterin.

Dingefinders LYRA:  LYRA  ist die Abkürzung für LYrikRAdio und bezieht sich auf die Audiospur. Die Bilder sind für YouTube dazu gekommen. Das Projekt verfolgt keinerlei kommerzielle Zwecke, weder der Blog (Dingefinders Lesebuch) noch der YouTube-Kanal sind monetarisiert. Die Reihe wird fortgesetzt.








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