Freitag, 11. Oktober 2024

Anna Louisa Karsch: Überwintern

 




Überwintern

Das Moos, es bleibt,
wenn all die Blumen schon gestorben,
tief unter Schnee noch unverdorben.
Wie ähnlich ist es mir!
Tief lag ich unter Gram.
Viele schwere Jahre lang,
und als mein Winter kam,
da stand ich unverwelkt
und fing erst an zu grünen.

Anna Louisa Karsch (1722 - 1791)

Johann Wilhelm Ludwig Gleim erklärte sie zur deutschen Sappho und bereitete 1761 ihre feierliche Dichterkrönung in Halberstadt vor; ab 1785 las er Gedichte von ihr auch in der Literarischen Gesellschaft Halberstadt vor. Bis 1762 finanzierten Förderer das Leben der Karschin in Halberstadt und Magdeburg. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin musste sie ihren Lebensunterhalt wieder selbst finanzieren und litt bittere Not. Daniel Chodowiecki unterstützte sie in dieser Zeit mit der Gestaltung von Miniaturbildnissen, die sie mit Poesie vervollständigte. Gleim veranlasste die Veröffentlichung ihres ersten Gedichtbandes Auserlesene Gedichte, der ihr ein kleines Einkommen ermöglichte, aber von der Kritik vielfach verkannt und verrissen wurde. So finden sich darin neben gefälligen Gelegenheitsversen ergreifende Klagen über ihr schweres Leben und immer von Rückschlägen gefährdetes Schicksal,

Das Bild „Die Erstarrung“ ist von Herbert von Reyl-Hanisch (1898 - 1937)