Freitag, 7. November 2025

Thekla Lingen: Müde

 



Müde

Hab so wund gelaufen meine Füße
auf dem weiten Wege nach dem Glück –
lachend lief ich aus, um es zu suchen,
schlich nach Haus mit tränenschwerem Blick.

Sah wohl wunderseltsam lichte Blumen,
sah sie wohl an meinem Wege stehn,
habe sie mit raschem Fuß zertreten,
musste eilen, musste weitergehn.

Weitergehn, die eine nur zu finden,
die in trügerischer Ferne winkt
und mit ihren buhlerischen Düften
unser Herz zur Schuld und Sünde zwingt.

Hab so wund gelaufen meine Füße
auf dem weiten Wege nach dem Glück –
lachend lief ich aus, um es zu suchen,
kam so müde, kam so still zurück …

Thekla Lingen (1866 – 1931), aus: Am Scheidewege, Schuster & Löffler, Berlin und Leipzig, 1898

Thekla Lingen, eigentlich Tekla Johanna Müller, verheiratete Lewy und Flemming (geboren am 18. März 1866 in Goldingen/Kurland; gestorben am 7. November 1931 in Berlin-Wittenau.

Ein erster Gedichtband erschien 1898 in Berlin und wurde stark beachtet. Nach einer zweiten Gedichtsammlung und einem Novellenband in den Folgejahren gab sie die publizistische Tätigkeit auf, sie starb 1931 in den Wittenauer Heilstätten.

Zwischen 1900 und 1914 wurden einige ihrer Gedichte von Franz Dannehl, Franz Bachmann und Alexander von Zemlinsky vertont.


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