Das Bild ist von der Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch (Zauberland?) |
„Aber die Sonne beginnt schon senkrecht aus dem Himmel zu fallen, und der Schnee will schon wieder rot werden, die Enziane schließen ihre Blätter, und wir haben noch einen weiten Weg.“ (Aus dem Prosastück „Die Dirne“)
Am 5. Dezember 1916 starb der in Schermbeck (Niederrhein) geborene Lyriker und Schriftsteller Gustav Sack erst 31jährig an der Front in Finta Mare in Rumänien.
Bei Kriegsausbruch 1914 weilte Sack in der Schweiz und verweigerte zunächst den Kriegsdienst, kehrte dann aber im September 1914 nach Deutschland zurück und wurde eingezogen. Was hätten wir alles noch von ihm lesen können, wenn er in der Schweiz geblieben wäre?
Bekenntnis
Das sind mir Worte nur und Klänge,
künstliches Reflexionsgedränge,
das hat nicht Herz, nicht Poesie,
das läßt mich kalt, ich weiß nicht, wie.
Gewiß; denn dem Poet,
wie ihr ihn liebt und ihn versteht,
sprang noch die Welt nicht jäh entzwei
in Ding und Dinges Konterfei,
dem ist noch nicht die Welt verdorrt
zum hohlen Klang und dürren Wort,
der sieht noch nicht in jedem Ding
sich selbst, der in die Dinge ging,
der findet sich nicht ewig wieder,
der pinselt seine warmen Lieder
herzhaftig nach der Wirklichkeit,
nach Grund und Sinn und Raum und Zeit,
als ob das alles Dinge wären,
die plastisch aus dem Chaos gären
und ohne Zweifel so bestehn,
wie er sie eben stets gesehn.
Mir aber klirrend eins, zwei, drei
sprang diese schöne Welt entzwei
und ließ mir, nicht viel mehr als nichts,
den Wiederschein nur jenes Lichts,
das rätselhaft die Nacht durchfährt
und dann für immer wieder in sie kehrt,
zwecklos, sinnlos und gänzlich einerlei,
was es in Wahrheit wohl gewesen sei.
Darum ich denn die Poesie,
wie ihr sie pflegt, verlach', ich weiß nicht, wie.
Bagatelle
In eine neue Bude zog ich ein!
Ein schiefer Tisch, ein krummer Stuhl,
eines wackligen Bettes Unzuchtpfuhl –
in diese Bude zog ich ein.
Garküchen unter mir und Kegelbahnen,
mir gegenüber 'ne verdreckte Wand
und über mir ein kleines blaues Band
mit feinen weißen Wolkenfahnen.
Was soll ich hier? Was will, was kann ich hier?
Doch so war's immer schon:
Armut und Dreck und wie zum Hohn
leuchtet ein Fetzen Himmel mir.
Das Zauberlied
Wohin du gehst, du wirst mir nie entgehen,
denn meiner Sehnsucht feine Witterung
wird schneller, als du glaubst, den kühlen Sprung
in das verführerische Land verstehen,
in dessen ewig glatten Schattenseen
du dich vor mir geborgen wähntest – jung
und mittagheiß wird die Erinnerung
an deine Liebe brausend dich umwehen,
und wenn du aufwachst, siehst du mich, der dich
mit blanken Armen an das Ufer zieht
und dir mit einem Kuß, dem wehen Stich
der glühen Lanze gleich, das Zauberlied
einhaucht: uns schwanden längst schon Raum und Zeit,
was flüchtest du dich in die Ewigkeit?
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