Stiller Besuch
An einem Tag,
da Haus und Halde schwieg,
Lag ich auf meinem Ruhebett und
schaute
Verhalt’nen Atems meinem Söhnlein
zu,
Das fromm aus Hölzern
einen Tempel baute.
Am Fenster lag im
Abendlicht ein Buch,
Versonnen beugte sich
mein Weib darüber;
Im Käfig saß
der Vogel auf dem Stock
Und lugte dunklen Aug’s zu ihr
hinüber.
Da war’s, daß ich gewußt:
das Glück ist da …
Ein Atem ist mir
übers Herz gegangen …
Die Luft ist hell von
einem gold’nen Blick …
Ein duftend Haar liegt
weich auf meinen Wangen …
Und flüstern wollt ich: seht, das
Glück ist da!
Doch hielt gebunden mich ein
ahnend Bangen –
Das Vöglein sprang von
seinem Stock herab –
Da war der lichte,
leise Gast gegangen.
Otto Ernst,
eigentlich Otto Ernst Schmidt, geboren am 7. Oktober 1862 in Ottensen
bei Hamburg; gestorben 5. März 1926 in Groß Flottbek bei Hamburg, war ein
deutscher Dichter und Schriftsteller. In einer Autobiographie beschrieb sich
Ernst selbst als „hoffnungslos unmodern“
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