Mittwoch, 31. Januar 2024

René Schickele: Ich wandere. . .

 


Ich wandere
Am schwarzen Wald entlang
Nach Haus.
Aus einem einzigen Stern am Himmel
Bläst der Wind
Immer den gleichen Funken,
Als fürchte er die Nacht im Wald
Und hüte für das Tal, das sie bedroht,
Dies Lichtlein in der Not.

Plötzlich gießt der Mond
Sein Füllhorn aus!
Der Hügel blüht als Weißdornhecke
An einem See,
Darinnen Dorf und Tal versunken.
Mein weißes Haus, die Arche,
Schwimmt darauf
In atemvoller Stille.
Nicht einmal die Hunde rühren sich,
Da ich den Hof betrete,
Im Traum nur hören sie mich kommen.
Süß beklommen,
Öffne ich die Tür und trete
In ein Geheimnis ein.

Im dunkeln Zimmer,
Im dunkeln Bett,
Die Augen geschlossen,
Im dreifachen Sarg,
Sehe ich den Weißdornhügel,
Von seinem Licht umflossen,
Und, wie es sich von ihm löst,
Mein Haus, die Arche,
Auf dem breiten Tale schwimmend,
Das wiederum ein See ist
Wie vor Tausenden von Jahren.

René Schickele, aus: Himmlische Landschaft, Fischer Berlin, 1933

René Schickele, geboren am 4. August 1883 in Oberehnheim im Elsass; gestorben am 31. Januar 1940 in Vence, Alpes-Maritimes, deutsch-französischer Schriftsteller, Essayist, Übersetzer und Pazifist. Gegen den preußisch-deutschen Militarismus warb Schickele für Völkerverständigung und Sozialismus als Herausgeber der Weißen Blätter. Das nötigte ihn 1915 zur Flucht ins Schweizer Exil.

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