Montag, 17. Juli 2017

Erich von Mendelssohn: Die Nacht / An der Esja



Die Nacht

Im grenzenlosen, weiten Weltenäther —
Ganz unten, kaum erkennbar, eine kleine Kugel
Schwebt unsre Erde mit dem Mond —
In dunkelvioletter Ferne
Die Sterne, aneinander nur gefesselt
Durch feine, spinnwebgleiche Fäden —
Und eine Silberkugel sinkt
Mit leisem Leuchten langsam durch den Raum.
Berührt sie eine jener Saiten
Erklingt ein wundersamer Ton —


An der Esja

Und Nebelschleier zogen durch die Nacht –
Die Pferde gehen langsam ihren Gang –
Noch nicht am Ziel, wie ist der Weg so lang.
Kalt flackernd zeigt das Nordlicht seine Pracht.

Ein Lichtlein zeigt, daß dort ein Bauer wacht.
Sein Hof liegt traulich an dem Felsenhang.
Tief unter uns ein schrill zerrißner Klang:
Es ist das Meer, das einsam weint und lacht.

Wie lange werden wir noch weiter reiten
Auf schmalem Pfade in der großen Stille?
Erstorben ist in uns der eigne Wille,

Wir lassen unsre Pferde weiter schreiten
Und wiegen uns in gleichem Takt mit ihnen.
Sie müssen uns als kluge Führer dienen.

Erich von Mendelssohn, geboren am 18. Juli 1887 in Dorpat, war Schriftsteller, Dichter und Übersetzer, er übersetzte Werke vor allem aus dem Isländischen, Dänischen und Schwedischen. Er starb am 17. Juni 1913 in Helsingör an einer Lungenentzündung.

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