Samstag, 5. Januar 2019

Jakob Haringer: Portrait / Der Dichter

Erich Büttner (1889 - 1936): Portrait Jakob Haringer


Portrait

Ich kann ja nichts als meine armen Verse schreiben,
Ich habe kein Geschick zu Dramen und Roman,
Das Leben hat ja Platz auch in acht Zeilen –
Und Bände da zu schmieren dünkt mich Wahn.
Was soll man Leiden da in Akte pressen,
Das kleine Glück wird schöner wohl als kleines Lied –
Und da wir sowieso ja alles stets vergessen,
Alles, was gestern noch gejauchzt und heut verblüht,
So will ich nichts als so ein kleiner Niemand bleieben,
Und nimmer freut sich meine Seele kindergut und groß,
Ich kann ja nichts als meine armen Verse schreiben,
Sie wollen, dass ich ewig fremd und mutterlos.
Es weiß ja keiner, wie dies Bluten schmerzte,
Und es ist gut, dass keiner mich erkannt,
In tiefer Nacht brenn ich mein Herz als Kerze,
Wohl, weil ich keinen Stern auf Erden fand.
So will ich gern ein kleiner Niemand bleiben,
Vielleicht kenn ich ich das Leben trotzdem mehr als ihr!
Ich kann ja nichts als meine armen Verse schreiben –
Dies große Herz ja, auf ein kleines Blatt Papier!


Der Dichter

Alles Glück, es ward nie Seligkeit,
Und der schönste Stern wird nie zum Licht,
Aber auch das tiefste Erdenleid
Ward kein Leid: es wird bloß zum Gedicht!
Und des Lebens schönste Dinge sind
Strophen bloß und euerm Herz zum Tand:
Jeder Dichter ist ein blindes Kind.
Worte sind sein armes Vaterland!
Sucht auf alles Leben nur den Reim!
Ach der Reim ihm alles Sein verdirbt –
Fand er keine Hand und kein Daheim.
Der ist Dichter bloß, der ewig stirbt.
Dichter ist nur, wer nie ein Gebet
Und als Toter durch das Leben geht.
Ist die Welt ihm eine tote Stadt,
Weil er bloß sein Herz zum Leben hat –


 In den Stunden des Glückes hast du Genossen und Frauen.
 In den Gewittern des Narrens weinst du verzweifelt allein.

 Jakob Haringer (1898-1948) 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen