Sonntag, 13. Oktober 2019

Gerrit Engelke: Allheimat / Am Meerufer



Allheimat

Könnt ich mich lösen vom starren Gebein,
Von erdegeborener Schwere:
Könnt in Lüften eine Wolke sein,  -
Ein Funkeln im Sternenheere  -

Könnt ich zerbrechen den drückenden Zaum,
In Licht und in Brausen verließen:
In rollende Wogen, in stürzenden Schaum
Die dirstende Seele ergießen  -

O könnt ich in rauschendem, rasendem Spiel,
Im Sturm sein ein seliger Reiter:
Ich weiß nicht wohin  -  ohne Maß, ohne Ziel
Immer weiter, immer weiter  -  - 


Am Meerufer

Und Welle kommt und Welle flieht
Und der Wind stürzt sein Lied.
Schaumwasser spielt an deine Schuhe
Knie nieder, Wanderer, ruhe.

Es wälzt das Meer zur Sonne hin,
Und aller Himmel blüht darin.
Mit welcher Welle willst du treiben?
Es wird nicht immer Mittag bleiben.

E braust ein Meer zur Ewigkeit,
In Glanz und Macht und Schweigezeit,
Und niemand weiß wie weit  -
Und endlich kommst du dort zur Ruh,
Lebenswandrer, Du.

Gerrit Engelke wurde am 21. Oktober 1890 in Hanover geboren. „Gewiß ist Engelke der Dichter des Maschinenzeitalters, doch unter dem Einfluß Whitmans erscheint bei ihm die Arbeitswelt in idealisierter Sicht.  . . . Trotz aller Faszination teilte er freilich den unreflektierten Fortschrittsglauben seiner Zeit nicht.“ , heißt es über ihn im Buch „Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen  -  Vergessene und verkannte Autoren des 20. Jahrhunderts“ von Hans J. Schütz.

Am 13. Oktober 1918 fiel er an der Westfront, kurz nachdem er einem Freund geschrieben hatte, er wolle über das „vom Krieg befreite, wieder menschlich-brüderlich werdende Völkereuropa der Städte, der Arbeit, des Lebens“ schreiben.

Dass Engelke dem städtischen Leben jedoch auch kritisch gegenüber stand zeigt sein Gedicht „Ich will heraus aus dieser Stadt“, in dem es unter anderem heißt: „Bald hab ich diese Straßenwochen, / bald diesen Stadtbann aufgebrochen / und ziehe hin, wo Ströme durch die Ewig-Erde pochen, / ziehe selig in die Welt!“

Leider lässt sich nicht sagen, wohin sich der frühverstorbene Dichter entwickelt hätte. Doch eines lässt sich gewiss sagen: Er ist zu Unrecht dem Vergessen anheim gefallen.

Das Bild ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch

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