Sonett
Denkst Du daran? - Wir gingen still zusammen,
Tief durch den Schnee in dämmerige Weite,
Und vor uns her auf die verschneite Heide
Warf noch die Sonne ihre letzten Flammen.
Denkst Du daran? - Wir gingen still zusammen,
Und manchmal lächeltest du wie im Traume,
Wie blauer Duft wob es am Waldessaume,
Am dunkeln Himmel lichte Wölkchen schwammen.
Die andern waren weit vorausgegangen,
Wir gingen still und sahen still uns an,
Es hatte sacht zu dunkeln angefangen,
Leis fiel der Schnee in großen weißen Flocken,
Wir gingen still und sahen still uns an.
Von ferne läuteten die Abendglocken.
Aus: Simplicissimus 1896
Die alte Weise
Die alte Weise kann ich nimmer finden.
Der Mondschein flutet silbern in den Gründen
es ist als wollt die Nacht im Duft vergehen.
In solchen Nächten kamst du sonst zu mir
Dann klangen feine Stimmen in den Winden
und leise träumend saß ich fromm bei dir
Nun ist es lang dass ich dich nicht gesehen.
Kennst du das Herz und der Gedanken Sünden
Die alte Weise kann ich nimmer finden.
Des morgens in einem fremden Land
Des morgens im Frühlichtschwanken
wenn es tastend zu dämmern begann
da kommen die verworrnen Gedanken
die mein Herz nicht bannen kann:
Ein Schuppen, alt und verfallen
wir Kinder sitzen spät noch darin
still draussen die Flocken fallen
Kennt ihr die Schneekönigin?
Und die Mädchen erzählen mit Flüstern
von der kalten Königin klingender Pracht
die die Kinder verlockt in der düstern
schneestreuenden Winternacht
und wie in des Teufels Krallen
der Zauberspiegel in Splitter zersprang
in weß Herz die Splitter fallen
der krankt daran sein Leben lang,
Mich fröstelt‘ ich schmiege mich fester
an dich (mein Herz ist bang und weh)
was bist du so kalt meine Schwester,
gingst du zu lange im Schnee?
Ich wollte ja gern mit dir wandern.
Ich suchte dich immer. Was winkt ihr mir zu
und lächelt so höhnisch ihr andern?
Mein alter Freund, da bist auch du:
wir hielten zusammen im schroffen
jähen Wechsel von Leid und Lust.
haben dich nun die Splitter getroffen
oder trag ich sie in der Brust
Und mein Vater, du mit dem blassen
verstörten Antlitz, was suchst du hier?
Vater, wo hast du die Mutter gelassen..
und was wollt ihr denn alle von mir
Schneekönigin lass mir die Seele
dein Lächeln ist Frost, Eis deine Stirn
Die Angst sitzt mir an der Kehle
Das Blut braust in meinem Hirn
des morgens im Frühlichtschimmer
da es tastend zu dämmern begann.
starr seh ich umher im Zimmer:
Etwas Fremdes schaut mich an.
Karl Gustav Vollmöller, geboren am 7. Mai 1878 in Stuttgart; gestorben am 18. Oktober 1948 in Los Angeles, der Stadt seines Exils. Er war ein Tausendsassa: Archäologe, Philologe, Lyriker, Dramatiker, Schriftsteller, Drehbuchautor, Übersetzer, Rennfahrer, Flugzeugkonstrukteur, Pionier des Stumm- und Tonfilms und Reformer des deutschen, europäischen und amerikanischen Theaters. Sein Gedichtband „Parcival – Die frühen Gärten“ verhalf ihm 1903 zu seinem Durchbruch als gefeierter Lyriker.
"Bei Vollmoeller (wird) die technische Perfektion bis zu einem Punkte gebracht, über den hinaus keine Steigerung mehr möglich ist … An Vollmoeller fasziniert, daß er den Weg seiner Epoche bis an den Rand des Abgrunds mitgeht.”
Klaus Günther Just in: Übergänge – Probleme und Gestalten der Literatur 1966
"Bei Vollmoeller (wird) die technische Perfektion bis zu einem Punkte gebracht, über den hinaus keine Steigerung mehr möglich ist … An Vollmoeller fasziniert, daß er den Weg seiner Epoche bis an den Rand des Abgrunds mitgeht.”
Klaus Günther Just in: Übergänge – Probleme und Gestalten der Literatur 1966
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen